Der Ripper - Roman
konnte mich einfach nicht dazu durchringen. Ich glaubte, ich wäre eher ertrunken, als dass ich sie losgelassen hätte.
Und so wäre es auch gekommen, aber aus einem unerfindlichen Grund wurden wir ans Ufer gespült. Meine Lungen drohten jeden Augenblick zu platzen, als mein Hintern über Steine rutschte und Sonnenlicht auf mein Gesicht fiel.
Ich kroch keuchend unter der Leiche hervor, packte sie unter den Armen und schleifte sie rückwärts gehend ans Ufer.
Und in diesem Augenblick fiel mein Blick auf ihre Brüste. Zuerst glaubte ich, das lange Liegen im Fluss hätte sie aufgedunsen, so dass sie deshalb so ganz anders als Jesses Brüste aussahen.
Aber mit dem Haar der Leiche war ebenfalls etwas nicht in Ordnung, es war zu dunkel und lang.
Die Tote konnte doch nur Jesse sein!
Ich beugte mich über sie und betrachtete ihr Gesicht. Es hatte einen schrecklichen, purpurnen Farbton, die Lippen waren fast schwarz. Der Mund stand offen. Die Augen waren geschlossen, aber ein Lid hing nach innen durch, als befände sich kein Auge mehr darunter.
Ich betrachtete das Gesicht in der Überzeugung , Jesse vor mir zu haben, und versuchte, an dieser schrecklichen Maske etwas Vertrautes zu finden.
Plötzlich überlief es mich eiskalt.
Ich schrie auf.
Ich ließ die Leiche fallen und stolperte entsetzt und angewidert ein paar Schritte zurück. Ich hatte eine Fremde aus dem Fluss gezogen!
Nun, keine wirklich Fremde.
Aber es handelte sich nicht um Jesse.
Es war die Frau des Deutschen.
Die Strömung zerrte an ihr. Ich wollte sie nicht noch einmal berühren. Nicht dieses schreckliche tote Ding, das gar nicht Jesse war. Ich wünschte, ich hätte sie niemals angefasst.
Aber ich hatte sie bis hierhergebracht, und es schien nicht richtig zu sein, sie jetzt davontreiben zu lassen. Also begann ich sie ans Ufer zu ziehen.
Die Berührung drehte mir den Magen um - jetzt, wo ich wusste, dass es nicht Jesse war.
Ich hatte das Ufer fast erreicht, als ich den nächsten Schrei ausstieß.
Die Tote war nicht allein.
Die Finger der anderen Hand umklammerten das Handgelenk eines Jungen. Des Jungen, der hinter ihr im Planwagen gesessen hatte. Mit ziemlicher Sicherheit ihr Sohn.
Sie hatte ihn die ganze Zeit gehalten, es konnte nicht anders sein. Selbst als sie kopfüber im Geäst des Baumes gesteckt hatte. Der Junge war unter Wasser gewesen, gehalten von der Hand der toten Mutter.
Es war erstaunlich und schrecklich zugleich.
Ich zerrte die Frau weiter, und sie zerrte ihren Jungen mit. Sie kamen auf den trockenen Steinen des Ufers zu liegen.
Beide hatten nicht einen Faden am Leib. Ich allerdings auch nicht. Aber ich wusste, wieso ich nackt war.
Ich setzte mich ein Stück entfernt hin und starrte die beiden Toten an. Versuchte zu ergründen, was mit ihrer Kleidung passiert war, doch hauptsächlich versuchte ich mir vorzustellen, wie ihre letzten Augenblicke gewesen sein mussten, wie die Mutter die Hand ihres Kindes fest umklammert hielt, während die Flutwelle beide in den Tod riss.
Ich beschloss, sie zu begraben.
Doch dann fiel mir ihr Mann ein. Vermutlich hatte ihn ebenfalls der Tod ereilt. Ich sah mich um. Von seinem Planwagen und dem Maultiergespann fehlte jede Spur. Vermutlich waren sie weiter flussabwärts getrieben worden. Aber mal angenommen, er hatte es überlebt? Dann tauchte er vielleicht auf und fand mich, so nackt wie am Tage meiner Geburt, mit seiner Frau und seinem Sohn beschäftigt. Und meine Waffen befanden sich auf der anderen Seite des Flusses.
Das war das Risiko nicht wert.
Er hatte einen hinterhältigen Eindruck gemacht, und außerdem waren diese Leute Fremde. Sie bedeuteten mir nichts und würden es ohnehin nicht mehr mitbekommen, ob ich sie begrub oder nicht.
Ich stand auf und klopfte mir den Sand vom Hinterteil.
Dann bückte ich mich, nahm einen Stein in jede Hand und baute sie neben dem Kopf der Frau auf. So sehr ich die beiden auch los sein wollte, konnte ich es dennoch
nicht über mich bringen, sie nackt und tot den Geiern zu überlassen.
Ich ging das Ufer entlang, sammelte Steine und trug sie zurück zu der Toten. Ich wollte mit ihr anfangen und mich danach um den Jungen kümmern.
Ich war noch nicht länger als ein paar Minuten mit Steinesammeln beschäftigt, als ich auf meinen Biberhut stieß. Er ruhte ein Stück entfernt auf einem Felsblock, und sein Anblick raubte mir den Atem. Ich rannte auf ihn zu, riss ihn hoch und rief nach Jesse.
Sie antwortete nicht.
Ob sie nun lebte oder tot war, sie war
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