Der Ripper - Roman
In ihrem Nacken kräuselten sich ein paar feuchte Locken. Ich konnte eine Brust sehen, wie sie leicht wippte, während Jesse arbeitete.
Als Jesse fertig war, richtete sie sich auf, schüttelte das Hemd aus und hob es hoch. Der Großteil des Blutes war weg; nur ein paar vereinzelte, rostrote Flecken waren übrig geblieben. »So geht’s«, sagte sie, drehte sich zu mir um und schob die Arme in die Ärmel.
Dann knöpfte sie das Hemd zu. Es war viel zu groß für sie. Als sie die Ärmel aufrollte, sah sie an sich herunter. Die Kugellöcher zeigten ihre Haut; durch eine lugte ihre
linke Brustwarze hervor. Als Jesse das sah, musste sie lachen. »Am besten tauschen wir, oder du wirst dir vor lauter Starren die Augen verderben.«
»Aber das Hemd steht dir doch sehr gut«, sagte ich.
Mit einem spitzbübischen Grinsen zeigte sie mir die geballte Faust. »Her damit«, sagte sie.
Also tauschten wir die Hemden.
Ich folgte Jesse zurück zu der Leiche. Sie nahm sich den Gürtel des Toten. Er hatte Schlaufen, in denen Patronen für den Henry-Stutzen und den Revolver steckten, doch es war kein Holster daran befestigt. Der Colt des Mannes steckte in der mit Leder verstärkten Hosentasche. Jesse schnallte sich den Gürtel um die Taille, überprüfte die Ladung des Revolvers und schob die Waffe an der linken Hüfte unter das Leder, den Griff nach vorn gerichtet, so dass sie über Kreuz ziehen konnte.
»Zu schade, dass er keinen Hut hat«, sagte sie.
»Du kannst meinen haben.«
Sie sah ihn an. »Wo hast du den denn gefunden?«
»Ach, der ist angespült worden.«
Als ich danach griff, sagte sie: »Nein, behalte ihn. Ich habe ihn schon einmal verloren. Außerdem habe ich eine Idee.«
Sie zog das Messer und schnitt das linke Hosenbein des Deutschen in Höhe des Oberschenkels auf. Da sie es nicht besonders vorsichtig machte, schnitt sie die Leiche einmal; die Klinge hinterließ eine rote Furche.
Dann schnitt und riss sie an dem Stück Stoff herum, wickelte es sich um den Kopf und steckte das lose Ende fest, so dass eine Art Turban entstand.
Doch sie war noch immer nicht fertig mit dem Deutschen. Sie zog ihm die Stiefel aus und sah hinein, dann
durchwühlte sie seine Taschen. Es kamen ein Taschenmesser, eine Handvoll Münzen und ein Lederbeutel zum Vorschein.
»Das ist für dich«, sagte sie und warf mir das Messer zu.
Das Geld behielt sie.
Als sie den Beutel öffnete und Tabak, Zigarettenpapier und Streichhölzer entdeckte, grinste sie mich an. »Rauchen wir eine.«
Sie stand auf. Ich nahm die Gewehre, und wir gingen zum Planwagen.
»Ist alles trocken?«, fragte ich.
»Der hat noch nicht mal nasse Füße gekriegt«, sagte Jesse. »Er hat mir erzählt, er sei oben in den Felsen gewesen, als der Fluss über die Ufer trat. Hat alles mit sich gerissen, nur ihn nicht.«
Wir setzten uns und lehnten uns gegen den Wagen. Jesse rollte sich eine Zigarette, dann gab sie mir den Beutel. Ich folgte ihrem Beispiel. Sie wartete, bis ich fertig war, bevor sie ein Streichholz entzündete.
Sie sog den Rauch tief ein und seufzte. »Was ist aus dem Pech geworden, von dem du mir erzählt hast, Trevor?« Das Funkeln war wieder in ihre Augen getreten.
Ich sah es mit Erleichterung. Es war ein ungewöhnliches und angenehmes Gefühl, neben Jesse zu sitzen und eine Zigarette zu rauchen; niemand war in der Nähe, der uns etwas Böses wollte, der Himmel war blau und wolkenlos.
Aber bestimmt warteten die nächsten Schwierigkeiten schon auf uns.
»Ich würde das Gewitter nicht unbedingt als Glück bezeichnen. Und die Ereignisse dieses Morgens auch nicht.«
»Was dir auch immer passiert, überstehst du es, dann war es Glück. Wir haben es doch ganz gut überstanden, scheint mir.«
»Wir haben alles verloren.«
»Wir haben General nicht verloren. Auch nicht die Waffen oder deine Satteltaschen. Und wir haben uns nicht verloren.« Sie beugte sich vor und tätschelte mir den Oberschenkel. »Tatsache ist, wir haben jetzt ein gutes Henry-Gewehr, einen vernünftigen.45er, ein Taschenmesser, Kleingeld und Tabak. Und ein von Kugeln durchlöchertes Hemd«, fügte sie hinzu und stieß mir den Ellbogen in die Seite.
»Wir haben meinen Wasserbeutel verloren.«
»Und wenn schon.«
»Dann warte mal ab, bis wir weiterreiten.«
»Trevor Bentley, du machst dir viel zu viele Sorgen.«
»Das hilft mir, am Leben zu bleiben.«
»Solange wir hierbleiben, geht’s uns doch gut. Außerdem bin ich sowieso zu erschlagen, um heute noch weiterzuziehen.«
»Ich habe
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