Der Ripper - Roman
sah, hätte ich mich am liebsten verkrochen, um zu sterben.
Der Baum schwamm im Wasser, hatte sich jedoch zwischen ein paar Felsen verkeilt. Von der Leiche waren nur die Beine zu sehen. Sie waren nackt, was die Frage aufwarf, wo Jesses Stiefel und ihre Hosen geblieben waren. Vielleicht hatte die Strömung sie ihr ausgezogen, vielleicht hatte Jesse auch genug Zeit gehabt, um sich ihrer zu entledigen, damit der vollgesogene Stoff sie nicht in die Tiefe zog. Das eine Bein zeigte gerade in den Himmel. Das andere hing in Kniehöhe unnatürlich abgewinkelt zur Seite.
Der Anblick des gebrochenen Beines machte die Sache irgendwie noch schrecklicher. Schlimm genug, dass Jesse tot war, aber diese Verstümmelung machte für mich alles nur noch schmerzlicher.
Da sie sich am anderen Ufer befand, bestand das Risiko, dass ich beim Versuch, sie zu erreichen, ertrank. Doch das war mir ziemlich egal. Ich konnte nicht einfach weiterreiten und sie dort zurücklassen. Wenn ich ertrank, sollte es eben so sein.
Ich ließ General ein Stück weiter stromaufwärts stehen und zog mich aus. Dann lief ich ins Wasser. Es war kühl, aber nicht kalt genug, um mich abzuhalten, und reichte mir etwa bis zur Taille.
Ich stemmte mich gegen die reißende Strömung und kämpfte mich unter Aufbietung aller Kräfte zu dem knorrigen Baum. Der Stamm lag halb unter Wasser. Ich hielt mich am oberen Ende fest, schöpfte Atem und versuchte die ganze Zeit, nicht auf die Beine zu blicken. Trotzdem sah ich sie aus den Augenwinkeln. Als sich mein Atem wieder beruhigt hatte, blieb ich stehen, wo ich war. Ich wollte einfach nicht tun, was ich tun musste.
Schließlich sagte ich mir, dass mein Zögern die Angelegenheit kein bisschen einfacher machen würde.
Und so stemmte ich mich auf den Stamm und kroch daran entlang, direkt auf die Beine zu, deren Anblick ich jetzt nicht mehr vermeiden konnte. Sie waren verschrammt und zerkratzt und hatten eine abstoßende blaugraue Farbe angenommen. Das unterhalb des Knies gebrochene Bein befand sich dicht vor mir, und ich wünschte mir sofort, ich wäre von der anderen Seite gekommen.
Die Leiche steckte zwischen einem dicken Ast und dem Stamm fest - in Taillenhöhe. Und so ragte noch anderes
als ihre Beine aus dem Wasser. Astgestrüpp hatte diese Körperteile vor meinen Blicken verborgen gehalten - bis ich auf den Baumstamm geklettert war. Ich wünschte mir, ich hätte sie auch weiterhin nicht sehen können, aber das war jetzt unmöglich.
Beim Anblick des Unterleibes wurde mir schlecht; ich fühlte mich traurig und schuldig zugleich.
Das Haarbüschel zwischen den Beinen war dunkel und nicht hellblond, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Po war kräftiger, als er sich unter dem Hosenstoff meinen Blicken dargeboten hatte. Aus der Nähe sah Jesse bei weitem nicht so gut aus, wie ich gedacht hatte.
Da wurde mir plötzlich bewusst, auf welche Weise ich sie betrachtete, und wie enttäuscht ich war, dass sie nicht besonders attraktiv aussah. Hatte ich mich vorher schon wie ein Schuft gefühlt, war ich jetzt noch tiefer gesunken, falls das überhaupt noch möglich war.
Ich richtete mich so schnell auf, dass ich um ein Haar auf die Leiche gefallen wäre, und konnte erst im letzten Augenblick das Gleichgewicht wiederfinden. Ich stellte einen Fuß auf den Ast, den anderen auf den Stamm, und beugte mich vor, um das gebrochene Bein anzuheben. Es fühlte sich weich an, die Haut war kalt und gespannt.
Ich drückte und zerrte, doch als sich die Leiche endlich löste, geschah das mit einer Plötzlichkeit, auf die ich nicht vorbereitet gewesen war. Sie sprang förmlich in die Höhe. Ich schrie auf, ließ die Beine los und ruderte wild mit den Armen, doch es nutzte nichts. Ich stürzte seitwärts durch das Gewirr von Ästen und landete kopfüber im Fluss.
Bevor die Strömung Gelegenheit bekam, mich fortzureißen, griff ich blindlings um mich und fand einen Stein, der vom Grund aufragte. Daran hielt ich mich fest.
Und ich war gerade im Begriff, aufzustehen, als etwas Schweres gegen mich stieß und mich erneut umwarf. Das konnte nur Jesses Leiche sein, also schlang ich die Arme darum. In dem Augenblick, in dem ich zugriff, wusste ich, dass es tatsächlich die Leiche war. Ich hielt sie um die Taille gepackt.
Der Fluss riss uns mit sich, und die ganze Zeit über versuchte ich, mich mit den Fersen gegen den Druck des Wassers zu stemmen. Aber das zeitigte keinen Erfolg. Ich würde ertrinken, wenn ich die Leiche nicht losließ. Doch ich
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