Der Ripper - Roman
der strömenden, dunklen Flut. Das Licht des Blitzes hielt lange genug an, um Jesse sehen zu können, die neben ihm aus dem Wasser emporschoss und ihr Bowie-Messer hob.
Ich sprang in dem Augenblick, als die Dunkelheit wieder einsetzte, landete auf den Füßen und kämpfte mich
nach Jesse tastend und rufend durch die Strömung. Natürlich konnte sie mich in dieser Höllensinfonie aus Donner und dem anderen Laut, der wie eine Lokomotive herandröhnte, nicht hören.
Gerade als ich mich fragte, ob ich sie je erreichen würde, floss das Wasser plötzlich ab. Großartig!, dachte ich und fühlte es dahinschwinden, bis es mir nur noch bis an die Knöchel reichte. Ich stapfte weiter, wurde von dem an mir vorbeipreschenden General beinahe über den Haufen gerannt und stieß mit Jesse zusammen. Wir stürzten beide, sie landete auf mir.
Sie drückte sich hoch. Ich setzte mich auf. Wieder blitzte es, und in dem Licht sah ich, wie sie sich über mich beugte; ihr Hemd klaffte weit auf, das Haar fiel ihr ins Gesicht. Sie streckte mir eine Hand entgegen, während sie mit der anderen das Messer in den Stiefelschaft schob. Und dann stieg hinter ihr eine Wand aus schwarzem Wasser auf.
»Nein!«, schrie ich.
Ich konnte nicht sehen, wie sie Jesse unter sich begrub, da der Blitz erlosch. Ich griff blindlings in Jesses Richtung, berührte etwas, das ihre Hand hätte sein können, und wurde von der Riesenwelle getroffen. Sie schleifte mich über den Boden, wirbelte mich in die Höhe, schrammte mich an den Felsen entlang und stieß mich hierhin und dorthin. Voller Angst, mir den Schädel einzuschlagen, barg ich den Kopf in den Armen. Und das keinen Augenblick zu früh. Etwas schlug gegen meine Ellbogen und drückte meine Arme so eng aneinander, dass ich glaubte, sie würden mir den Kopf zerquetschen.
In diesem Augenblick wusste ich es noch nicht, doch die mächtige Flutwelle hatte mich ganz in der Nähe unseres
Unterschlupfes zwischen die Felsen gehämmert - kopfüber in einen engen Spalt.
Es war reines Glück, obwohl ich es in diesem Moment nicht so sah. Ich glaubte meine Arme gebrochen, und ich wusste , dass ich irgendwo feststeckte.
Dann floss das Wasser ab, und ich schnappte keuchend nach Luft. Meine Knie kamen auf etwas Hartem zu ruhen.
Ohne den Druck des Wassers konnte ich mich ohne große Umstände befreien. Erst jetzt sah ich die Felsblöcke und den schmalen Spalt zwischen ihnen, und ich erkannte, was für ein Glück ich gehabt hatte. Wäre ich nicht in dem Spalt gelandet, hätte mich das Wasser sonstwohin gespült.
Jesse hatte wohl weniger Glück gehabt.
Sobald ich an sie dachte, waren meine schmerzenden Knochen vergessen. Ich kam unsicher auf die Beine und machte mich auf die Suche nach ihr. Doch ich konnte so gut wie nichts sehen.
Da zuckte der nächste Blitz über den Himmel. Unser Lagerplatz hatte aufgehört zu existieren; dort floss jetzt ein reißender Strom.
Von Jesse war nichts zu sehen.
Ich suchte weiter, kroch zwischen die Felsen, schritt immer wieder den Hügel ab. Irgendwann gab ich auf. Jesse war weg. Die verdammte Welle hatte sie mit sich gerissen.
Ich kletterte zu der Stelle hinauf, an der ich meine Waffen und die Satteltaschen abgelegt hatte. Sie war hoch genug gelegen, so dass die Sachen nicht fortgespült worden waren. Ich schnallte mir den Revolvergürtel um und setzte mich in den Regen.
Jesse war nicht einmal einen vollen Tag bei mir gewesen.
42
Die Leiche
Irgendwann während der Nacht hörte der Regen schließlich auf. Ich bemerkte es nicht einmal, obwohl ich nicht schlief. Ich saß einfach da und dachte an Jesse, hasste mich dafür, dass ich sie nicht einfach gepackt hatte, bevor sie runtergesprungen war, um General zu befreien, rief mir ins Gedächtnis zurück, wie sie in dem Augenblick ausgesehen hatte, bevor uns die Welle packte, erinnerte mich an alles , was in unseren gemeinsam verbrachten Stunden passiert war, und die ganze Zeit vermisste ich sie und wünschte mir, dass sie am Leben war und zu mir zurückkam.
Immer wieder stellte ich mir Jesse unter Wasser vor, wie sie sich an die Oberfläche kämpfen wollte, jedoch jedes Mal von der brutalen Strömung noch tiefer gerissen wurde, wie ihr die Luft ausging und ihre Lungen brannten, während sie vom Strom gegen die Felsen geschleudert wurde, bis sie tot war. Und selbst nach ihrem Tod ließ die Flut sie nicht in Ruhe, sondern spülte ihren schlaffen und zerschlagenen Körper durch die endlose Prärie, wo ich ihn niemals finden würde.
In
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