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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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plötzlich auftauchenden Fremden, aber so hatte ich einen Vorwand, die Schweinerei nicht mit ansehen zu müssen.
    Die paar Male, die ich hinsah, erinnerten mich an die arme Mary in ihrer Wohnung in Whitechapel und die arme Trudy, wie ich sie zuletzt auf der Jacht gesehen hatte. Im Zuge all der anderen Ereignisse hatte ich schon lange nicht mehr an Whittle gedacht.
    Wie viele Frauen hatte er wohl seit den unglücklichen Damen in Tombstone auf bestialische Weise umgebracht? Und wo steckte er? Und wie sollte ich ihn aufspüren?

    Das würde alles andere als leicht sein, aber ich kam zu der Einsicht, dass es ziemlich sinnlos war, sich jetzt schon darüber Gedanken zu machen. Im Augenblick kam es nur darauf an, einen Tag nach dem anderen zu überleben und sicher nach Tombstone zu gelangen.
    »Wie viel davon brauchen wir?«, fragte Jesse.
    Es war soweit, ich musste wohl oder übel helfen. Wir schnitten zwei Stücke Darm ab, jedes etwa einen Yard lang, und legten sie auf den Boden. Sie sahen aus wie schleimige Wasserschläuche.
    Wir trampelten darauf herum, um auf diese Weise den Inhalt zu entfernen, dann spülten wir sie im Fluss ordentlich durch, bis sie unserer Meinung nach so sauber waren, wie das unter diesen Umständen zu bewerkstelligen war. Wir verknoteten die Enden und füllten die auf die Weise entstandenen Schläuche mit Wasser, bis sie zu platzen drohten. Dann wurde auch das andere Ende verschlossen, und zwar mit kurzen Stücken des Seils, mit dem der Deutsche Jesse gefesselt hatte.
    Wir schleppten die prallen Schläuche zum Planwagen, stemmten sie auf die Ladefläche, traten zurück und grinsten uns an.
    »Sieht so aus, als hätten wir unser Trinkwasser«, sagte Jesse.

45
    Stürmische Augenblicke
    Während wir die restlichen Innereien zurück ins Maultier stopften und es zum Fluss schleiften, ging die Sonne unter. Wir sahen zu, wie der Kadaver in Richtung Süden davongetrieben wurde, dann wuschen wir uns und die Messer.
    Zurück am Feuer warfen wir Holz nach, setzten uns und wärmten unsere nackten Füße.
    »Es ist eine Schande, dass wir den ganzen Whiskey getrunken haben«, sagte ich.
    »Dafür können wir eine rauchen.«
    Also drehten wir uns Zigaretten und zündeten sie mit einem aus dem Feuer genommenen Zweig an.
    »Ich hoffe, es regnet nicht«, sagte Jesse.
    Das war mehr als unwahrscheinlich, und wir lachten über ihren kleinen Scherz. Dann saßen wir eine Zeit lang schweigend da und genossen unsere Zigaretten. Als die Füße wieder trocken waren, zogen wir Socken und Stiefel an. Ich brach noch ein paar Planken vom Planwagen ab, um das Feuer am Leben zu erhalten. Jesse ging mit der Whiskeyflasche zum Fluss und brachte sie gefüllt zurück. Wir ließen sie kreisen.
    Jesse nahm den Turban ab. Sie faltete ihn zusammen, dann rieb sie sich den Kopf und zauste sich das Haar, das im Licht des Feuers golden schimmerte. »Du bist nie dazu gekommen, mir von dem Kerl zu erzählen, den du
in der Gasse niedergestochen hast«, sagte sie. »Ich will alles wissen.«
    Es schien Tage her zu sein, dass ich begonnen hatte, ihr die Geschichte meiner Abenteuer zu erzählen, bis der Regen sie unterbrochen hatte. Und es kam mir vor, als wäre es Jahre her, dass Sue mich im East End in jene Gasse geführt hatte. Ich sammelte meine Erinnerungen, dann setzte ich die Geschichte an der Stelle fort, an der ich in der vergangenen Nacht aufgehört hatte.
    Diesmal gab es weder ein Gewitter noch eine Überschwemmung. Wir saßen am Feuer, legten manchmal Brennholz nach, tranken gelegentlich einen Schluck Wasser aus der Flasche, und ich erzählte und erzählte.
    Hin und wieder stellte Jesse eine Frage, doch in der Hauptsache beschränkte sie sich aufs Zuhören. Als ich zu der Stelle gekommen war, in der Sarah und ich den Zug nach Westen bestiegen hatten (natürlich hatte ich Jesse nicht erzählt, dass Sarah und ich mehr als Freunde gewesen waren), streckte sie sich auf dem Boden aus und bettete den Kopf in meinem Schoß.
    »Soll ich aufhören?«, fragte ich.
    »Nein. Ich will es mir nur bequem machen.«
    Also machte ich weiter, log beträchtlich, was die Sache mit Briggs anging, und kehrte erst in dem Augenblick zur Wahrheit zurück, in dem er mich aus dem Zug geworfen hatte. Ich erzählte von meiner Begegnung mit der Bande und wie ich in den Überfall verwickelt worden war, wie wir General »gekauft« hatten und es in Bailey’s Corner zu der Schießerei gekommen war, wie wir die Posse in den Hinterhalt gelockt und wie schließlich mit

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