Der Ripper - Roman
trocknen wir an der Sonne.« Sie nickte selbstzufrieden. Auf ihrer Stirn klebte Blut. Vermutlich hatte sie sich dort das Haar weggestrichen.
Nachdem wir genug beisammen hatten, trugen wir das Fleisch zum Feuer. Wir brachen eine Holzplanke aus dem Planwagen, schnitten sie zurecht und zimmerten ein Gestell, an dem wir dann die Fleischstreifen übers Feuer hängen konnten.
Dann machten wir uns erst einmal sauber. Jesse schien sich des Blutflecks auf der Stirn gar nicht bewusst zu sein, also tauchte ich den Hemdzipfel ins Wasser und wischte ihn weg.
Sie sah mir in die Augen, hob eine nasse Hand und strich mir ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. Ihre Hand wanderte weiter bis in meinen Nacken, sie zog mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich bekam weiche Knie.
Beinahe hätte ich sie in die Arme genommen und sie auf den Mund geküsst, aber sie trat schnell zurück und sagte: »Wir sollten das Maultier dem Fluss übergeben, bevor es anfängt zu stinken.«
Ich war noch immer völlig durcheinander und konnte sie nur anstarren.
Jesse legte den Kopf schief und betrachtete mich. Ihre Stirn war dabei in Falten gelegt, doch ihre Augen verrieten, dass sie belustigt und nicht etwa verärgert war. »Was ist mit dir?«
»Nichts.«
»Bist du noch nie geküsst worden?«
»Nicht von dir.«
»Na, lass dir dadurch nicht den Tag versauen. Komm schon, schicken wir dem Deutschen sein Maultier nach. Dann braten wir uns Steaks und …«
»Ich würde lieber erst essen. Wir haben uns doch gerade die Hände gewaschen.«
»Es dauert doch nicht lange. Dann sind wir das Vieh los.«
»Ich fürchte, wir müssen vorher eine ziemlich unangenehme Arbeit verrichten. Mir ist da nämlich eine Idee gekommen, allerdings wird sie mir vermutlich den Appetit ruinieren.«
»Was denn?«
»Wir könnten aus dem Maultierdarm einen Wasserschlauch machen.«
Sie starrte mich einfach nur an.
»Ich weiß, das hört sich ziemlich ekelhaft an, aber wenn wir die Innereien richtig säubern …«
»Wie bist du denn darauf gekommen?«
»Der General hat mir mal davon erzählt.«
»Dein Pferd ?«
»Nein, natürlich nicht. General Matthew Forrest, ein alter Indianerkämpfer. Das ist ein alter Apachen-Trick.«
»Ich wünschte, er wäre mir eingefallen.«
Sie war voller Überraschungen. »Du hältst es also für eine gute Idee?«
»Einfach großartig. Aber du hast Recht. Wir sollten vorher essen.«
Die im Rauch hängenden Fleischstreifen hatten bereits eine dunkle Farbe angenommen. Maultier oder nicht, der Duft ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Ich warf noch Holz nach, dann schnitzten wir uns Stöcke zurecht und spießten die Steaks auf. Jesse hielt sie über die Flammen, während ich die Whiskeyflasche aus der Satteltasche holte.
Sie war noch etwa halbvoll.
Ich hielt sie hoch, damit Jesse sie sehen konnte, und sah ihr Lächeln.
»Damit rutschen die Steaks vielleicht besser.«
Dann setzte ich mich und übernahm meinen Anteil am Kochen. Es dauerte nicht lange, und die Steaks waren fertig.
Selbst wenn ich nicht gewusst hätte, dass es sich um Maultierfleisch handelte, wäre eindeutig gewesen, dass es kein Rindfleisch war. Es war zäh und hatte einen strengen Beigeschmack.
Nach ein paar Bissen war ich froh, dass der Whiskey da war. Ich nahm einen Schluck und reichte Jesse die Flasche.
»Wie schmeckt’s?«, fragte ich.
»Ich habe schon Schlimmeres gegessen«, sagte sie.
»Klapperschlange?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
Das ließ uns beide lachen. Dann aßen wir mehr Maultier und spülten die Bissen mit Whiskey herunter. Je mehr ich trank, desto besser schmeckte es.
Dennoch war ich froh, als ich aufgegessen hatte.
Wir leerten die Flasche. Ich hielt sie hoch und sagte: »Schätze, die ist als Wasserflasche zu klein.«
»Nicht, wenn du noch mehr davon hast.«
»Ich fürchte, das war die einzige. Dabei hatte ich vor ein paar Tagen die Gelegenheit, zehn Flaschen Wunderelixier zu kaufen.«
»Wunderelixier?«, fragte Jesse und stand auf.
»Hilft gegen alle Leiden.«
Dann erzählte ich ihr von meiner Begegnung mit Dr. Lazarus und Ely, während wir uns um das Maultier kümmerten. Ihr schien die Geschichte zu gefallen, und mich lenkte sie von unserer ekelhaften Arbeit ab.
Nicht, dass ich mich übermäßig daran beteiligt hätte.
Jesse übernahm es, den Bauch des Maultiers aufzuschlitzen und die Eingeweide herauszuholen. Ich beschränkte mich in der Hauptsache aufs Wache halten. Eigentlich rechnete ich gar nicht mit
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