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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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er dich geküsst?«, wiederholte ich die Frage.
    »Du redest Unsinn. Und jetzt hör auf.« Sarah schob eine Hand unter mein Nachthemd. Ihre Finger glitten warm über mein Bein und umfassten mich zärtlich. »Ich will kein Wort mehr über Elmont hören.«
    »Ich muss noch zur Toilette«, sagte ich.
    »Beeil dich.«
    Ich ging zum rückwärtigen Teil des Waggons und fragte mich, warum ich sie verlassen hatte. Ich musste überhaupt nicht zur Toilette. Das war nur die erstbeste Entschuldigung gewesen, die mir eingefallen war. Denn ich konnte mich jetzt nicht zu Sarah legen, ich musste mich erst mal beruhigen. Vielleicht etwas frische Luft schnappen, bevor ich Dinge sagte, die ich später bereuen würde.
    Ich zog die Tür auf und verließ den Waggon.
    Nur war ich nicht der Einzige, der sich auf der Plattform zwischen den Waggons aufhielt. Ein Mann stand dort, kehrte mir den Rücken zu, und der Fahrtwind zerrte an seinen langen Locken.

    Mr. Elmont Briggs.
    Er hatte sich nicht umgedreht, um zu sehen, wer nach draußen gekommen war. Ich hätte auf der Stelle zu Sarah zurückkehren und dabei das Wissen genießen können, dass ich und nicht Elmont bei ihr im Bett lag.
    Aber ich war fünfzehn und hatte mehr Mumm als Verstand.
    »Wenn das nicht der einzigartige Elmont Briggs ist«, sagte ich.
    Ich musste fast schreien, damit er mich über dem Lärm der Räder überhaupt hören konnte.
    Er drehte sich langsam um. Zwischen seinen Zähnen steckte eine Zigarre, deren Spitze rot im Wind aufglühte. Als er mich sah, nahm er sie aus dem Mund. »Sarahs kleiner Diener.«
    »Ich bin niemandes Diener, Elmont.«
    »Hat sie dich geschickt, damit du mich abholst?«
    Ich trat dicht an ihn heran. Und wünschte mir von ganzem Herzen, ich wäre angezogen. Ich war barfuß, und das Nachthemd flatterte wie ein Frauenkleid, als der kalte Fahrtwind darunter fuhr. Ich konnte das Gefühl nicht unterdrücken, irgendwie im Nachteil zu sein. Das war nicht der richtige Aufzug, um einer Kanaille gegenüberzutreten.
    »Sag schon, Junge. Lädt mich Sarah zu sich ein?«
    »Sie sollen sie in Ruhe lassen.«
    »Ach ja?« Er zeigte mir die Zähne. In der Dunkelheit sahen sie grau aus. Es sollte wohl ein Lächeln darstellen, dann steckte er die Zigarre wieder in den Mund und zog daran.
    Ich schlug ihm die Zigarre aus dem Mund.
    Er packte mich am Nachthemd, riss mich zu sich und rammte mir das Knie in den Bauch. Der Stoß warf mich
fast um. Elmont drückte mich nach hinten gegen die Sicherheitskette. Dann ließ er los, bückte sich und packte mich an den Unterschenkeln. Ich konnte nichts anderes tun als nach seinen Haaren zu greifen, bevor er mich über die Kette stemmte.

27
    Ich nehme Abschied von Sarah und dem Zug
    Der Griff nach Elmonts Haaren rettete mich nicht. Ich riss lediglich einige davon aus.
    Dann stürzte ich kopfüber und mit strampelnden Beinen durch die Luft und fühlte den Fahrtwind des weiterrasenden Zuges im Rücken. Die Zeit schien plötzlich langsamer zu vergehen. So hatte ich Gelegenheit, darüber nachzudenken, wo ich wohl landen würde, und ob mich die Räder in zwei Teile teilen würden. Ich sah vor meinem geistigen Auge sogar meinen Körper tot auf dem Gleis liegen, das Nachthemd bis zur Brust hochgezogen. Eine unerfreuliche Vorstellung, einen so unschicklichen Anblick zu bieten.
    Vielleicht blieb mir ja genug Zeit, das Nachthemd herunterzuziehen, aber ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als ich am Boden aufschlug.
    Allerdings nicht mit dem Kopf zuerst, was ich dem Herrgott dankte. Ich landete auf dem Rücken. Hätte mir Elmonts Knie nicht schon den Atem geraubt, dann wäre es spätestens jetzt passiert. Ich landete hart, aber die Angelegenheit war noch nicht ausgestanden. Ich wurde wieder hochgeschleudert, und der Untergrund war so steil, dass ich mich rückwärts überschlug. Ich rollte weiter und kam schließlich auf weichem Gras zum Liegen.
    Jeder Knochen im Leib tat mir weh, aber ich war glücklich, dass ich noch am Leben war. Während ich nach Luft
rang, verschwand der Zug ratternd in der Ferne. Kurz darauf schrillte die Dampfpfeife mir ein Lebewohl zu.
    Als ich wieder normal atmen konnte, stand ich auf. Ich war etwas unsicher auf den Beinen, also blieb ich erst einmal an Ort und Stelle stehen, am Fuß des Bahndamms. Die hohe Böschung, mit Büschen und Unkraut bewachsen, überragte mich. Von meinem Standort aus hätte ich den Zug vermutlich nicht einmal dann sehen können, wenn er noch immer da gewesen wäre. Aber an

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