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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bemerkte, dass ich im warmen Sonnenlicht lag. Das fühlte sich so gut an, dass ich liegenblieb, die Wärme in mich aufnahm und dem Gesang der Vögel lauschte.
    Dann kletterte ich wieder den Bahndamm hinauf und nahm meine Wanderung auf. Ich hatte meine Lektion gelernt und mied die Schienen.
    Beim Laufen hielt ich den Blick auf den Schotter und die Schwellen gerichtet und lauschte nach näher kommenden Zügen. Früher oder später musste einer vorbeikommen, und ich verspürte nicht das Bedürfnis, überfahren zu werden. Vielleicht gelang es mir ja, einen Zug anzuhalten und mitgenommen zu werden.
    Plötzlich sah ich in der Ferne eine Brücke.
    Eine Brücke bedeutete, dass es eine Schlucht gab. Und eine Schlucht bedeutete vermutlich Wasser.
    Ich legte einen Schritt zu.
    Bald hörte ich es rauschen. Da war ein Fluss!
    Ein Stück vor der Brücke blieb ich wie angewurzelt stehen.
    Die linke Schiene lag nicht mehr da, wo sie hingehörte.

28
    Desperados
    Die Schwellennägel, die die Schienen hielten, waren herausgerissen und lagen überall verstreut. Die Schiene war etwa einen halben Fuß verrückt.
    Der nächste vorbeikommende Zug würde entgleisen, und wenn er sehr schnell fuhr, würde er vermutlich umkippen und in den Fluss stürzen.
    Das war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss. Der zweite war, wie ich es schaffen konnte, den Zug rechtzeitig anzuhalten und die Katastrophe zu verhindern. Doch der naheliegendste Gedanke, nämlich dass jemand die Schienen absichtlich beschädigt hatte, kam mir nicht in den Sinn. Als es mir endlich dämmerte, war es zu spät.
    Ein Schuss krachte. Ich zuckte zusammen und blickte auf. Ein Reiter galoppierte den Abhang neben der Brücke hoch. Er kam direkt auf mich zu und schwenkte dabei seinen Revolver.
    Ich blieb einfach stehen. Die einzige Fluchtmöglichkeit wäre ein kühner Sprung den Bahndamm hinunter gewesen. Dabei hätte ich mich vermutlich verletzt. Also blieb ich stehen und hob die Hände.
    Er zügelte sein Pferd und brachte es direkt vor mir zum Stehen.
    So nah war ich noch keinem echten Cowboy gewesen. Natürlich war mir klar, dass es sich bei ihm um keinen Cowboy handelte, sondern um einen Desperado.

    Nicht, dass er besonders desperadohaft ausgesehen hätte. Von dem Revolver in seiner Hand abgesehen hatte er nichts Furchterregendes an sich. Er war weder hässlich noch viel größer als ich, hatte nur ein wettergegerbtes, schmutziges Gesicht und einen Dreitagebart. Er schien kaum älter als zwanzig zu sein, und er runzelte die Stirn, aber nicht, als sei er wütend, sondern eher verwirrt und amüsiert.
    Er trug einen großen Hut mit nach oben gebogener Krempe und ein rotes Halstuch von der Größe eines Lätzchens; quer über seine Brust zog sich ein Patronengurt. Das alte Hemd war schweißgetränkt. Um die Taille hatte er einen Revolvergürtel mit zwei Holstern geschnallt. Das Holster an der linken Seite war leer. Das rechte enthielt einen Sechsschüsser. Die Stiefel hatten silberne Sporen, die viel zu fein für seinen restlichen Aufzug wirkten.
    »Biste aussem Bett gefallen oder was?«
    »Eigentlich hat man mich aus dem Zug geworfen. Ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einem Burschen, und er warf mich über Bord.«
    »Wieso redest du so geschwollen?«
    »Tue ich das?«
    »Ja. Bist du aus dem Osten?«
    »Ich komme aus London, England.«
    Er zog den Mundwinkel hoch. »Ich werd nich mehr.«
    »Trevor Wellington Bentley«, stellte ich mich vor und streckte die Hand aus.
    Statt sie zu nehmen, tippte er den Revolverlauf an die Hutkrempe. »Chase Calhoun.«
    »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Calhoun.«

    »Tja, sei dir mal nicht zu sicher. Ich schätze, ich muss dich erschießen.«
    Das ließ mich dann doch nach Luft schnappen. »Ich hoffe, das wird nicht nötig sein«, brachte ich mühsam hervor.
    »Die Sache ist die, Willy: Du bist im Weg. Ich und die Jungs wollen den Zug aufhalten.«
    Also war er nicht allein. Das war keine große Überraschung. Eine Schiene zu lösen dürfte für einen einzelnen Mann ziemlich schwierig sein. Der Rest der Bande hielt sich vermutlich am Fluss versteckt.
    »Sie werden ein schreckliches Unglück verursachen«, meinte ich.
    »Wir können den Zug nicht ausrauben, ohne ihn vorher anzuhalten.«
    »Sie könnten doch einen Ihrer Mitreiter losschicken, um ihn durch ein Zeichen anzuhalten. Sonst werden viele umkommen. Frauen und Kinder. Ich würde das nicht auf mein Gewissen laden wollen.«
    »Nee, du nicht.« Er

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