Der Ripper - Roman
das Bein nachzog.«
»Sie ist gestorben?«, fragte McSween.
»Ja, leider. Matthew auch.«
»Das tut mir leid.« Er wandte sich an Chase. »Es wäre wirklich nicht richtig, wenn wir den Jungen erschießen. Er lügt nicht. Mrs. Forrest hat tatsächlich das Bein nachgezogen. Angeblich hat sie dort ein Indianerpfeil getroffen.«
»Es wäre mir eine Ehre, mich der Bande anschließen zu dürfen«, sagte ich. »Ich will auch keinen Anteil von der Beute haben.«
»Wir haben aber kein Pferd übrig«, erklärte Chase.
»Nun«, sagte McSween, »ich schätze, er könnte bei mir mitreiten. Entweder das, oder wir lassen ihn seiner Wege ziehen.«
»Wo wolltest du denn hin, Willy?«, fragte Chase.
»Nach Tombstone. Ich war zusammen mit Sarah Forrest auf dem Weg dorthin …«
»Tombstone! Aber das ist ja unten im Arizona-Territorium. Da reiten wir nicht hin.«
»Das ist ganz schön weit zu laufen, wo du nichts als Lumpen um die Füße hast«, meinte McSween.
»Eigentlich hatte ich ja gehofft, es bis zum nächsten Bahnhof zu schaffen.«
»Wieso lassen wir ihn nicht beim Zug zurück?«, schlug McSween vor. »Die werden ihn ja irgendwann wieder in Gang bringen.«
»Er kennt uns«, winselte Snooker.
»Ich werde euch nicht verraten. Darauf habt ihr mein Wort als Gentleman. Allerdings fürchte ich, dass der Zug mich nirgendwohin befördern wird. Wie ich bereits Mr. Calhoun erklärt habe, wird er bei dem Unfall zerstört werden.«
Sie sahen sich an.
»Das hat er gesagt, das stimmt«, sagte Chase. »Er glaubt, der Zug würde in den Fluss stürzen.«
»Was weiß er denn schon von solchen Sachen?«, murmelte Emmet und warf mir einen finsteren Blick zu.
»Wir haben bereits vier Züge zum Entgleisen gebracht«, sagte Chase, »und keinem ist viel passiert.«
»Haben Sie es schon mal so nahe an einer Schlucht getan?«, fragte ich ihn.
»Ich fürchte, der Junge hat Recht«, sagte McSween. »Vielleicht hätten wir die Schienen ein Stück weiter von
der Brücke entfernt lösen sollen. Wenn der Zug mit Volldampf angerauscht kommt, wer sagt, dass er nicht in den Fluss stürzt? Wir wollen doch keine Katastrophe verursachen.«
»Das würde die Dinge für uns mächtig unangenehm machen«, stimmte Chase ihm zu.
»Wir sollten die Gleise ein Stück entlangreiten und dort eine Schiene lösen«, sagte McSween.
»Das würde sicher viele Leben retten«, sagte ich.
Snooker war dagegen, was er auf seine winselnde Weise zum Ausdruck brachte, und Emmet stellte sich auf seine Seite. Aber Chase beendete die Proteste, indem er eine Uhr aus der Hemdtasche zog. »Der Zug ist in fünfzehn, zwanzig Minuten hier. Wir haben nicht die Zeit, um eine andere Schiene zu lösen. Wir werden also Folgendes tun: Wir stellen Willy ans Gleis, damit er versuchen kann, den Zug anzuhalten. Für einen Jungen im Nachthemd werden sie vielleicht bremsen. So ist er langsam genug, dass er nicht in die Tiefe stürzt.«
»Er wird sie warnen, Chase.«
»Nein, das wird er nicht«, sagte McSween und nickte mir freundlich zu.
Ich erwiderte das Nicken.
Chase stieg in den Sattel und hielt mir die Hand hin. Ich griff zu, und er zog mich aufs Pferd. Ich verlor dabei einen der Fußlappen und musste ganz schöne Verrenkungen machen, um raufzukommen. Bei meiner derzeitigen Kleidung sorgte das bei den Zuschauern für beträchtliche Belustigung. Emmet und Snooker pfiffen und machten passende Bemerkungen. McSween reichte mir den Lappen, damit ich ihn später wieder anlegen konnte.
Ich hatte die Arme um Chase’ Taille gelegt. Natürlich dachte ich einen Augenblick daran, nach seinen Revolvern zu greifen. Wenn ich schnell genug war, konnte ich ihn entwaffnen, ihn absteigen lassen und dann die Gleise entlangreiten, den Zug stoppen und den Raubüberfall verhindern.
Ich würde ein richtiger Held sein. Vermutlich wäre die Bahngesellschaft so dankbar, dass man mich umsonst bis nach Tucson fahren lassen würde.
Doch ich konnte mich nicht dazu überwinden. Es war zu riskant. Doch davon abgesehen, erschien es mir einfach zu gemein. Chase und McSween gefielen mir, und sie vertrauten mir. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, sie zu verraten.
»Ich schätze, das ist weit genug«, sagte Chase schließlich. Er zügelte sein Pferd und half mir hinunter. »Versuch es, Willy. Aber wenn der Zug anhält und du eine krumme Tour versuchst, werden eine Menge Leute sterben. Und du wirst einer davon sein.«
Dann ritt er fort, wobei er eine Staubwolke hinterließ. Ich band mir den Ärmel wieder
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