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Der Riss im Raum

Der Riss im Raum

Titel: Der Riss im Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Namen nach!«
    »Die Namen haben Bestand.«
    »Nur für Bestehendes.«
    »Du wirst bestehen, Sporos. Du bist nur ein kleiner Bestandteil im großen Plan der Welt, aber dennoch unersetzlich.« Proginoskes war wieder sanft geworden, und seine Sanftmut trotzte mühelos dem Ansturm der Echthroi. »Du wirst gebraucht, Sporos. Du hast deinen eigenen, unverwechselbaren Auftrag in der Freiheit der Schöpfung.«
    »Hör nicht auf diesen verräterischen Cherubim! Er ist nichts weiter als Schein, nichts weiter als eine trügerische Mißgeburt. Wir erlösen dich von deinem nutzlosen Namen und geben dir dafür die Kraft und die Herrlichkeit.«
    Nun griff wieder Calvin ein. »Sporos, du bist mein Partner. Wir müssen beisammenbleiben, was immer auch geschieht. Solltest du tatsächlich zu den tobenden Farandolae zurückkehren, gehe ich mit und tanze an deiner Seite.«
    »Um die Farae zu töten?« fragte Sporos mißtrauisch.
    »Nein. Um bei dir zu sein.«
    »Ich auch!« rief Meg. »Komm, Progo, wir helfen Calvin!«
    Froh, endlich eine sinnvolle Aufgabe gefunden zu haben, merkte Meg nicht einmal, daß der Cherubim sie von ihrem Vorhaben abhalten wollte, sondern stürzte sich Hals über Kopf in den wahnwitzigen Tanz und ließ sich willenlos treiben. Calvin schlingerte indessen neben Sporos dahin und versuchte vergeblich, ihn dem wilden Reigen zu entreißen, der um die sterbende Fara immer engere Kreise zog.
    Meg war der Gewalt der entfesselten Farandolae hilflos ausgeliefert. Der Strudel sog sie ein, ließ sie durch die Reihen taumeln, schleuderte sie dem erschlafften Stamm der Fara entgegen.
    Hier, im Zentrum des tödlichen Tanzes, war es dunkel. Meg konnte weder die wirbelnden Farandolae wahrnehmen noch zu Calvin oder Sporos kythen. Alles blieb still, aber diese Stille war eine Leere, die jeden Klang unterband.
    Das schreckliche Vakuum lahmte Meg und nahm ihr die Kraft, dem drohenden Zusammenstoß zu entgehen. Schon prallte sie gegen den Stamm der Fara, aber die war bereits zu schwach, ihr Stütze zu geben. Vielmehr klammerte sie sich selbst an Meg, richtete sich an ihr auf und begann ihr das Blut aus dem Leib zu saugen. Während der Stamm der todgeweihten Fara erstarkt, lag es nun an Meg, zu sterben …
    Da umfingen sie starke Arme, und neues Leben strömte in sie ein …
    Herr Jenkins, der wirkliche Herr Jenkins, war ihr zur Hilfe geeilt und erfüllte sie mit der Kraft seiner Liebe. Auch die wiedererweckte Fara hob ihre zarten Rankenfinger und streichelte Meg sanft im Rhythmus des Gesanges. Herr Jenkins umfaßte sie beide, ohne zu weichen. Der mörderische Kreis war gebrochen! Calvin wiederum hielt Sporos umschlungen, dem eine einsame Träne von der Wange tropfte.
    Meg wollte Sporos trösten, aber in dem Augenblick, da sie ihr Kythen von Herrn Jenkins und Calvin abzog, schloß sich ein neuer bedrohlicher Reigen. Diesmal tanzten jedoch nicht Farandolae um die Fara, sondern zahllose Jenkinse um den wirklichen Herrn Jenkins.
    So rasch sich Meg auch zurückbesann, kam sie doch bereits zu spät. Herr Jenkins war rettungslos umzingelt. »Ihr müßt euch eintiefen, Sporos!« schrie sie. »Schnell! Sonst seid ihr verloren!«
    Verängstigt und in heilloser Verwirrung schwirrten die Farandolae hin und her, während Proginoskes Flügel um Flügel nach ihnen ausstreckte und sie schützend unter seine unsichtbaren Schwingen scharte. »Seht euch die Echthroi an!« befahl er ihnen streng. »Erst wollten sie euch verleiten, eure eigene Fara zu töten, und nun bringen sie Herrn Jenkins um. Seht hin, damit ihr sie endlich durchschaut!«
    »Herr Jenkins darf nicht sterben!« rief Meg. »Oh, Sporos, Sporos! Du mußt dich eintiefen! Das ist die zweite Prüfung! Du mußt dich versenken!«
    »Um seinetwillen?«
    »Um deinetwillen, für ihn, für uns alle.«
    »Aber warum hat Herr Jenkins … – wußte er denn nicht, was für ihn auf dem Spiel stand?«
    »Natürlich wußte er es. Er hat sich geopfert, um uns zu retten.«
    »Um uns alle zu retten!« ergänzte Calvin. »Sporos, Herr Jenkins ist den Echthroi ausgeliefert. Sie wollen ihn töten. Was wirst du jetzt tun?«
    Sporos wandte sich an Senex, die Fara, die ihn geboren hatte. Er breitete seine zarten grünen Rankenarme aus und winkte den Farandolae zu.
    »Kommt!« sagte er leise. »Es ist an der Zeit, Wurzeln zu fassen und uns zu vertiefen.«
    Die Farae begannen zu singen.
    Erst klang es nur wie das leise Echo jenes Gesanges, den Meg gehört hatte, als Blajeny sie der Geburt eines Sternes beiwohnen

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