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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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nachdem sie von der Polizei heimgebracht worden war. Ein Tag pro Woche – ein feierliches Versprechen. Es hatte ein bisschen verdächtig gewirkt, dass ihre Mom einwilligte, eine Strafe zu mildern, nachdem sie einmal bemessen worden war, besonders nachdem Jessica erfahren hatte, was Rex und Melissa mit dem Verstand anderer Leute anstellen konnten.
    Momentan war Jessica jedoch bereit, die Ausnahme unbedingt zu nutzen.
    „Das ist vielleicht albern“, sagte Beth. „Dad, sag ihr, dass das albern ist.“
    „Das ist ziemlich albern, Jess.“
    „Du hast aber gesagt, einmal pro Woche.“
    „Und du hast vier freie Tage gehabt. Und du hattest einen Monat Hausarrest. Und das sind vier Wochen.“
    Jessica klappte bei dieser ungerechten Definition die Kinnlade runter. „Du hast aber gesagt, und ich zitiere wörtlich:
    ,September hat dreißig …‘“
    „Es reicht , Jessica.“ Seine Stimme hatte einen absolut bedrohlichen Tonfall angenommen. „Sonst hat der September in diesem Jahr sechzig Tage.“
    Jessica schluckte. Diesmal hörte er sich so an, als ob er es wirklich ernst meinen würde.
    Beth drehte sich zu ihr um und sah sie mitleidig an, der Ausbruch des Vaters hatte ihre Feindseligkeiten vorübergehend unterbrochen. Seit sie nach Bixby gekommen waren, war Don Day arbeitslos und infolgedessen erst einfallslos, dann humorlos und letzten Endes rückgratlos geworden. Es war schon lange her, seit er zum letzten Mal so viel Energie aufgewandt hatte, um die Stimme zu erheben.
    Genau genommen, fiel Jessica auf, war es genau dreißig Tage her – er hatte heftig gebrüllt, als die Polizei sie nach Hause gebracht hatte, nachdem sie mit Jonathan die Sperrstunde missachtet hatte. Vielleicht bekam er Panik, und die Vorstellung, dass sie von drei Uhr nachmittags bis zehn Uhr abends ungehindert durch die Straßen von Bixby ziehen könnte, war einfach zu viel für ihn. Er war anders als Mom, die von den Anstrengungen, ihren neuen Chefs zu imponieren, zu müde war, um sich außerhalb der Arbeit aufzuregen.
    Vielleicht war es an der Zeit, das Thema zu wechseln.
    „Und Beth, wie war dein Training mit der Band?“, fragte sie.
    „Es war peinlich.“
    „Früher hat es dir gefallen.“
    Beth sah wieder nach vorne zum Fenster hinaus und antwortete nicht.
    Jessica runzelte die Stirn. Es tat ihr leid, dass sie sich über Beths Uniform lustig gemacht hatte. Das war eine Angewohnheit aus alten Zeiten. Damals war Beth mit Frotzeleien fertig geworden, ohne in die Luft zu gehen.
    Vor zwei Jahren, als sie noch in Chicago lebten, war Beth bei den Majorettes die Beste gewesen. Sie konnte eine Dreifachdrehung werfen und schaffte es, den Stab mit einer Hand hundert Mal in der Minute zu drehen, und aus dem Sommercamp brachte sie immer tonnenweise Schleifen mit. Aber als sie elfeinhalb geworden war, hatte sie die Majorettes für total peinlich erklärt und sich stattdessen sozial engagiert. Seit sie nach Bixby gezogen waren, hatte sie ihre stabschwingenden Trophäen nicht einmal ausgepackt. Jessica war aufgefallen, dass sie die aufgereihten kleinen silbernen Gardemädchen auf ihren Marmorpodesten ebenso vermisste wie die jüngere, glücklichere Beth aus alten Zeiten.
    Dass Beth in Bixby keine Freunde fand, hatte offensichtlich ihre Ansichten über Majorettes geändert. Vielleicht war es eine große Sache, wenn man an der Bixby Junior Highschool zur Garde gehörte. Vielleicht wusste sie im Moment auch einfach nicht, was sie sonst tun sollte.
    Beth nach zwei Jahren in einem schrillen Kostüm zu sehen war so seltsam, als ob die Zeit heute Morgen total zusammengebrochen wäre und jetzt rückwärts laufen würde.
    „Sag mal, wollen wir später zusammen üben?“, fragte Jessica. „Ich glaube, ich darf in den Garten.“ „Aber natürlich“, rief ihr Vater fröhlich.
    „Danke, Jess, das wäre reizend.“ Beth drehte sich wieder zu ihr um. „Beim Stabschwingen braucht man nämlich dringend Unterstützung.“
    „Schon gut. Wie du willst. Wollte bloß behilflich sein.“
    „Und erwachsen. Vergiss erwachsen nicht.“

    „Ich sagte: schon gut.“
    Beth sah sie weiter an, die Goldlitze an ihrem Kragen blitzte in der Sonne.
    „Womit hast du ein Problem?“, fragte Jessica schließlich.
    „Was glaubst du, warum Dad mich heute abholen musste?“
    Jessica seufzte. „Weil du so hinreißend aussiehst?“
    „Nein, Schwachkopf. Ich hätte mich in der Schule umziehen können.“ Sie senkte die Stimme. „Wegen dir.“
    Jessica warf einen fragenden Blick

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