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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Taten!“
    Diesmal war es an Rex, die Augen zu verdrehen. Er verbarg seine Reaktion, indem er zur Tasse griff und wegen des bitteren Geschmacks das Gesicht verzog.
    Tolle Gedankenleserin , dachte Dess. Maddy merkte noch nicht einmal, dass alle ihren Tee verabscheuten.
    „Also“, sagte Jonathan, „Sie haben doch sicher irgendwas gespürt, als die Finsternis gekommen ist. Melissa hat gesagt, dass die Darklinge gefeiert haben. Glauben Sie, dass die damit gerechnet haben, dass das passiert?“
    „Aha, jetzt kommen wir der Sache näher“, antwortete Maddy.
    Rex warf Jonathan einen verärgerten Blick zu, weil er jene Frage gestellt hatte, die als Nächstes auf der Hand lag, und Maddy damit Gelegenheit gab, sich damit zu brüsten.
    Sehr schlau , dachte Dess. Die alte Gedankenleserin hatte es drauf, die beiden Jungs gegeneinander auszuspielen. Dess hatte ein paar alte Fotos der jugendlichen Madeleine im Haus gefunden, und die war in den Vierzigerjahren eine ziemlich flotte Biene gewesen.
    Man sollte allerdings nicht vergessen, dass es Maddy gewesen war, die damals geplaudert hatte und einem Daylighter, Opa Grayfoot (vermutlich einem ihrer Verehrer), die Geheimnisse der blauen Zeit gesteckt hatte. Theoretisch ging also das ganze darauf folgende Chaos auf ihre Kappe: die Erschaffung des Halblings, die Beseitigung der vorherigen Midnightergeneration und die Tatsache, dass sie alle fünf verwaist und unwissend waren.

    „Und was haben Sie geschmeckt?“, fragte Rex.
    Maddy legte eine dramatische Pause ein, dann sah sie ihrem Schüler am anderen Ende des Tisches in die Augen.
    Melissa hörte auf, auf ihrer Unterlippe zu kauen, und sagte:
    „Wir sind uns noch nicht ganz sicher. Wir hatten noch keine Gelegenheit … “, sie sah Rex an, „… unsere Notizen zu vergleichen.“
    „Es gab aber ein paar Risse“, sagte Maddy. „Orte, an denen sich die falsche Midnight sehr dünn anfühlte.“
    „Orte?“, fragte Dess und wurde hellhörig. Orte ließen sich in Längen- und Breitengraden darstellen – in lieblichen Zahlen. „Sie meinen, so wie diese temporale Kontorsion?“
    Maddy nickte. „Ja, aber keine Verstecke. Flecken, wo die Barriere zwischen der blauen Welt und unserer fast zu verschwinden schien.“
    „Oh.“ Mit der einen Hand in ihrer Tasche packte Dess den GPS-Empfänger fester. „Sie meinen, wie bei Sheriff Michaels?“
    „Sheriff Michaels?“, fragte Jonathan. „Der Typ, der verschwunden ist?“
    Für einen Moment schwiegen alle.
    Vor einiger Zeit – noch bevor Jessica und Jonathan nach Bixby gezogen waren – war der Sheriff der Stadt draußen in der Wüste verschwunden. Man hatte nur seine Waffe und seinen Stern gefunden, dazu seine Zähne mit den ganzen Plomben – darklingfeindliche Hightechzeugnisse der zahnärztlichen Kunst.
    Das Gerücht ging um, er wäre von Drogendealern umgebracht worden, aber mittels Rex’ Lehre und ihrer sorgsamen Kartendokumentation der blauen Zeit ahnte Dess, was wirklich passiert war.
    Sie räusperte sich. „Nun, wir wissen doch, dass Darklinge essen müssen, oder? Selbst wenn sie nur eine von fünfundzwanzig Stunden leben, brauchen Räuber Beute, um zu überleben. Gewöhnliche Tiere können in die blaue Zeit hinübertreten, wenn sie genau um Mitternacht am falschen Ort sind.
    Darklinge ernähren sich also hauptsächlich von Kaninchen und Kühen, die Pech gehabt haben. Aber dann und wann rutscht auch mal ein menschliches Wesen durch.“
    „Pf“, meinte Madeleine. „Zu meiner Zeit wussten die Leute, wo sie sich um Mitternacht nicht aufhalten durften.“
    „Stimmt, aber Ihre Zeit gibt’s nicht mehr“, sagte Dess.
    „Warte mal“, sagte Jonathan. „Ich dachte, Darklinge könnten normalen Leuten nichts tun.“
    Dess schüttelte den Kopf. „Wenn du einmal die Grenze zur Midnight überschreitest, bist du für diese Stunde Teil dieser Welt. Und geeignet, in die Nahrungskette der Darklinge aufgenommen zu werden.“
    Madeleine nickte. „Gelegentlich haben wir verbündete Daylighter durchgebracht, damit sie die blaue Zeit selbst sehen konnten. Eine besondere Auszeichnung. Wenn die Midnight zu Ende war, erstarrten sie seltsamerweise, genau wie die Darklinge in der normalen Zeit. So blieben sie, bis die Sonnenstrahlen sie berührten.“
    „Wie Anathea“, sagte Jonathan leise. „In der Midnight gefangen.“
    „Großartig, dann könnte es also sein, dass Zivilisten in der blauen Zeit herumrennen“, murmelte Rex. „Und Sie meinen, dass sich die Finsternis auf diese

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