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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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rivalisierende Katzen, die man zusammen in ein kleines Zimmer gesperrt hatte.

    Was soll’s. Sie würden es überleben.
    Rex bahnte sich seinen Weg tiefer ins Unterholz, kämpfte sich durch die nackten, spröden Süßhülsenäste. Inzwischen konnte er im Dunkeln besser denn je sehen, und die Räume zwischen den Bäumen und Büschen schienen sich für ihn zu öffnen. Bald fiel ihm auf, dass die schlanken Spuren seiner Beute einem schmalen Weg folgten, vermutlich von Tieren ausgetreten.
    Je tiefer Cassies Abdrücke ins Gebüsch führten, desto sicherer und gezielter sahen sie aus, als ob sie nach den ersten paar Minuten der Verwirrung in der blauen Zeit auf dem Weg zu einer Stelle wäre, an der sie sich sicher fühlte.
    Ein Zweig blieb an Rex hängen, bog sich tief durch, schnellte dann nach hinten und hinterließ einen langen Riss in seinem T-Shirt. Das Mädchen musste hier aufgewachsen sein, wenn sie sich so sicher durch dieses Gestrüpp bewegte. Er erkannte, dass sie viel kleiner war als er, sie war beinahe aufrecht unter den Zweigen gelaufen, die ihn fast in die Knie zwangen.
    Die Abstände zwischen ihren Schritten wurden größer. Hier hatte sie sich schneller bewegt, von einem Ziel angelockt. Rex fluchte – er würde das Mädchen nicht finden, bevor die Midnight eintraf. Sie hatte einundzwanzig Minuten Zeit gehabt, um dort anzukommen, wo sie verschwunden war, und ihm blieben nur …
    „Dreißig Sekunden, Rex!“, ertönte Dess’ Stimme zwischen den Bäumen.
    Er hielt inne. Um sicher zurückzukehren, sollte er jetzt umkehren und losrennen. Im Inneren von Dess’ Schutzring konnten sie auf den Flammenbringer warten. In der blauen Zeit würde Melissa die Gedanken des Mädchens schmecken können, auch wenn sie meilenweit weg war.

    Natürlich konnte Cassie in zwanzig Minuten nicht so weit weggekommen sein, es sei denn, die Darklinge hatten sie hochgenommen und verschleppt. Und wenn das passiert sein sollte, dann war sie vermutlich nicht mehr am Leben und würde die endlosen Minuten nicht überleben, die Jonathan und Jessica brauchten, um zu ihr zu kommen.
    Rex beschnüffelte die Spur vor sich. Angst haftete immer noch an dem menschlichen Geruch, vermischt mit Aufregung und Erstaunen, und verursachte ein elektrisierendes Kribbeln.
    Etwas in seinem Inneren wurde davon hungrig. Das war der Geruch jener jungen, abenteuerlustigen Menschenwesen, die zu weit von ihren Dörfern entfernt herumstreunten – der Ruf von leichter Beute.
    Ein Teil von Rex wusste, dass er vernünftig sein sollte. Er sollte sich zurück in Sicherheit begeben und alle vorbereiten: Dess und Melissa von Streitereien abhalten, Jonathan und Jessica sagen, was sie zu tun hatten, wenn sie eintrafen, vielleicht für die Rettung mit ihnen mitfliegen. Niemand außer ihm konnte der Gruppe die Führung bieten, die sie brauchte.
    Aber der Geruch des einsamen Mädchens zog ihn weiter, lockte seinen ganzen Körper diesen schmalen Weg entlang. Cassie Flinders fühlte sich so nah an. Seine Hände kribbelten, weil sie so nah war, und ein ungestümes Verlangen erfüllte ihn …
    Du musst vor den anderen bei ihr sein, sie gehört dir.
    Rex trat einen unsicheren Schritt nach vorn. Er musste sie zuerst erreichen.
    „Fünfzehn!“, erreichte ihn Dess’ Ruf aus der Ferne. „Wo zum Teufel steckst du, Rex? Zehn. Du bist ein Idiot, neun , komm zurück, acht , du Volltrottel, sieben … “
    Rex stürzte sich tiefer ins Unterholz.
    Sekunden später erzitterte die Erde unter seinen Füßen.

    Blaues Licht strich durch die Büsche und über den Himmel, dimmte die Sterne und ließ jeden Zweig und jeden Grashalm scharf hervortreten, vor seinem plötzlich perfekten Seher-Auge.
    Er inhalierte die hungrige Essenz der blauen Zeit, die geistige Klarheit der Midnight.
    Vor ihm in der Ferne vernahmen Rex’ scharfe Ohren einen leisen Aufschrei der Überraschung und Angst … Cassie, die in der blauen Zeit erwachte.
    Und das machte ihn hungriger.

    Kaum eine Minute nach Eintreffen der Midnight fingen überall Wesen an, sich zu regen. Gleiter wühlten sich aus den tiefen Höhlen nach oben, wo sie sich vor der Sonne verborgen hatten, und schickten sich gegenseitig Signale mit ihren seltsamen, zwitschernden Lauten. Es war wie im ersten Licht eines frühen Frühlingsmorgens, wenn die Vögel erwachten und zu lärmen begannen.
    Hier draußen gab es etliche Gleiter. Plötzlich fühlten sich die Metallketten um seine Stiefel nicht mehr sicher an. Seine Augen huschten nervös über das

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