Der Ritter von Rosecliff
skandalöses Benehmen: er war ein berüchtigter Trinker, Spieler und Weiberheld. Es wurde gemunkelt, dass er einst auf Wunsch seines Vaters Priester werden sollte, wegen seiner schwarzen Seele jedoch von den frommen Männern der Kirche. nicht angenommen Worden sei. Seitdem hurte er völlig hemmungslos herum, meistens mit Waliserinnen, denn die wenigen Engländerinnen auf Rosecliffe waren verheiratet.
Rhonwen beobachtete Jasper Fitz Hugh aus der Ferne und versuchte vergeblich zu verstehen, wie eine Waliserin sich derart erniedrigen konnte, mit einem Engländer zu schlafen. Ei walisischer Mann sogar einer, der immer so schlechte Laune wie ihr Stiefvater hatte - war immer noch einem englischen Ritter vorzuziehen, ganz egal, wie attraktiv dieser sein mochte.
»Eines Tages werde ich ihn umbringen! «, murmelte Rhys erbittert.
»Ich werde dir dabei helfen«, erwiderte Rhonwen genauso leise. »Aber nur, wenn du vorher ein Bad nimmst.«
»Ich brauche weder ein Bad noch die Hilfe eines Mädchens!«
Unten am Fluss ließ Jasper Fitz Hugh seine Blicke über das felsige Tal schweifen. Er hatte es eilig, nach Rosecliffe Castle zurückzukehren, denn ihm war zu Ohren gekommen, dass die beiden Töchter des Architekten Sir Lovell bald ankommen würden, und er hatte seit dem St.-Crispins-Fest vor einem halben Jahr keine Gelegenheit gehabt eine Engländerin zu vernaschen. Natürlich musste er vorsichtig ans Werk gehen, um nicht versehentlich ein unschuldiges Mädchen zu entjungfern - er wollte sich nicht den Zorn seines Bruders Rand zuziehen. Aber er hoffte, dass wenigstens eine der Töchter des Baumeisters schon gewisse Erfahrungen im Bett gesammelt hatte.
An Jaspers Sattel hing ein Weinschlauch, und er gönnte sich einen großen Schluck Rotwein- Doch während er sich den Mund abwischte, hatte er plötzlich das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Jemand versteckte sich am anderen Ufer zwischen den Bäumen und Felsen! Als er genauer hinschaute, konnte er zwei Köpfe erkennen, die viel zu klein waren, um Männern zu gehören. Kinder?
Jasper entfernte sich ein wenig von seinen Begleitern, so als wollte er seine Notdurft verrichten, hob blitzschnell einen Stein auf und schleuderte ihn gegen die Felsen. Der Erfolg war verblüffend: zwei Gestalten rannten wie aufgeschreckte Kaninchen den Hügel hinauf, ein Junge und ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren, die im Wind flatterten.
Dieser Anblick brachte Jaspers Gefährten zum Lachen. »Sollen wir sie schnappen?«, schlug Alan, einer der Ritter, vor.
Jasper schüttelte den Kopf. »Nein, es sind ja nur harmlose Kinder.«
»Sie werden aber nicht immer Kinder bleiben!«, schnaubte Alan.
Damit hatte der Mann zweifellos Recht doch Jasper glaubte die mahnende Stimme seines Bruders Rand zu hören, der einen dauerhaften Frieden zwischen Engländern und Walisern anstrebte. »Nein«, entschied er deshalb energisch. »Wenn wir die Kinder der Einheimischen terrorisieren, bringen wir ihre Eltern gegen uns auf, und das wollen wir auf gar keinen Fall. Auf geht's nach Rosecliffe, meine Freunde! Ich habe die Gesellschaft von Männern gründlich satt! Was ich brauche, ist eine Frau!«
TEIL I
Ach bekränzte sie mit Rosen, sie mich mit Dornen.
Ich wollt sie beglücken,
und sie wünschte meinen Tod.«
Mittelalterliches Liebeslied
Kapitel 1
Rosecliffe Castle, Nordwales, 3. April 1144
Jasper Fitz Hugh hatte es sich in einem Lehnstuhl aus edlem Holz bequem gemacht und seine langen gestiefelten Beine ausgestreckt. Während er einen Schluck Wein trank, beobachtete er über den Becherrand hinweg seinen Bruder Rand. Kurz nach dem Mittagessen war ein Kurier eingetroffen - ein Kurier von Simon Lamonthe.
Jasper wusste, dass Rand diesem Mann nicht traute, der sich als Repräsentant von Matilda, der Tochter des vor einigen Jahren verstorbenen Königs Heinrich, ausgab. Sie behauptete, ihr Vetter - der jetzige König Stephan - hätte ihr und ihrem Sohn den Thron gestohlen, und die Lords der Grenzgebiete sollten ihr dabei helfen, ihre Ansprüche durchzusetzen und an die Macht zu gelangen.
Wie würde Rand auf diesen Appell reagieren?
Der Herr von Rosecliffe lief rastlos in der großen Halle hin und her. Sein langer, dunkler Schatten huschte über die Kinder hinweg, die auf einem Teppich vor dem prasselnden Kaminfeuer spielten. Sie schauten kurz auf und schenkten ihm ein vertrauensvolles Lächeln. Rand war ein Ritter, den Freunde bewunderten und Feinde zu Recht fürchteten.
Weitere Kostenlose Bücher