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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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zu schlagen, aber all meine Gebete und meine Kasteiungen vermögen mir diese ungehörige Liebe nicht auszutreiben.«
    Nachdem das letzte Wort heraus war, schwieg Radulfus eine Weile. Sein Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert, doch er hatte aufgemerkt, und in seinen tiefliegenden Augen glomm ein Funke.
    »Die Liebe an sich«, erklärte er schließlich, seine Worte genau wählend, »ist keine Sünde. Sie kann keine Sünde sein, wenn sie auch zur Sünde führen kann. Ist zwischen dir und der Frau je ein Wort über diese unkeusche Zuneigung gefallen, gab es eine Geste oder einen Blick, irgend etwas, das deine Gelübde oder ihre Ehrbarkeit gefährden könnte?«
    »Nein! Nein, Vater, nie! Kein Wort außer einem höflichen Willkommen, einem Abschiedsgruß und einem Segensspruch, wie er bei einer solchen Wohltäterin angebracht ist. Nichts Falsches wurde getan oder gesagt, das Vergehen liegt in meinem Herzen. Sie weiß nichts von meiner Qual, sie sieht in mir nichts anderes als den Boten unseres Hauses. Gott verhüte, daß sie es je erfährt, denn sie ist makellos. Zu ihrem wie meinem Seelenheil bitte ich darum, sie nie wieder sehen zu müssen, denn auch ohne zu wissen, was in mir vorgeht, könnte mein Schmerz sie sehr wohl beunruhigen und bekümmern. Und das letzte, was ich will, ist, daß sie darunter leidet.«
    Radulfus erhob sich abrupt, während Eluric, erschöpft nach der qualvollen Beichte und von seiner Schuld überzeugt, auf die Knie sank, den Kopf neigte und die Hände vor das Gesicht legte, um seine Verurteilung hinzunehmen. Doch der Abt wandte sich nur zum Fenster um und blickte eine Weile in den sonnigen Nachmittag hinaus, in den kleinen Garten, in dem seine eigenen Rosen üppig blühten.
    Es wird keine Oblaten mehr geben, dachte der Abt. Gott sei Dank. Es wird keine Kinder mehr geben, die aus der Wiege genommen werden, ohne je den Anblick von Frauen, den Klang von Frauenstimmen, die halbe Schöpfung der Welt, kennengelernt zu haben. Wie kann man von solc hen Kindern erwarten, mit etwas umzugehen, das ihnen fremd und gefährlich vorkommen muß wie ein Drache? Früher oder später lief jedem von ihnen eine Frau über den Weg, schrecklich wie eine Armee, der sich diese armen Kinder unbewaffnet und ungeschützt stellen müssen! Wir vergehen uns gegen die Frauen und gegen diese Knaben, wenn wir sie unvorbereitet zu Männern heranreifen lassen, hilflos dem ersten Kitzel des Fleisches ausgeliefert. Wir wollen sie vor dem Übel schützen und nehmen ihnen jede Möglichkeit, sich selbst zu schützen.
    Nun, das wird es nicht mehr geben! Von nun an werden nur noch Brüder im Mannesalter aufgenommen, die aus freien Stücken kommen und fähig sind, ihre Bürde selbst zu tragen.
    Aber die Last dieses Jungen fällt auf mich zurück.
    Er drehte sich wieder um. Eluric kniete niedergeschlagen vor ihm, die zarten jungen Hände gequält vor das Gesicht geschlagen. Zwischen den Fingern rannen Tränen herab.
    »Sieh mich an!« befahl Radulfus. Und als das junge, bekümmerte Gesicht ängstlich zu ihm gehoben wurde, fuhr er fort: »Nun sage mir die Wahrheit und fürchte dich nicht. Du hast der Frau deine Liebe nie gestanden?«
    »Nein, Vater!«
    »Und auch sie hat nie ein Wort gesagt und dir keinen Blick geschenkt, der deine Liebe hätte entfachen können?«
    »Nein, Vater, niemals! Sie ist völlig gleichmütig, ich bedeute ihr nichts.« Und unter Tränen der Verzweiflung fügte er hinzu:
    »Ich bin es, der sie besudelt hat, es ist meine Schuld, denn ich liebe sie, auch wenn sie nichts davon weiß.«
    »Wirklich? Auf welche Weise hätte deine unglückliche Zuneigung die Ehre der Dame verletzt? Sage mir, bist du in deiner Fantasie je so weit gegangen, sie berühren zu wollen?
    Sie zu umarmen? Oder sie zu besitzen?«
    »Nein!« rief Eluric. Es war ein Schrei voller Schmerz und Entsetzen. »Gott verhüte! Wie könnte ich sie so besudeln! Ich verehre sie, ich achte sie hoch wie eine Heilige. Wenn ich die Kerzen beschneide, die wir dank ihrer Güte kaufen können, dann sehe ich ihr Gesicht im Licht. Ich bin nicht mehr als ihr Pilger. Aber dennoch, es tut weh …« Er senkte wieder den Kopf und barg sein Gesicht im Gewand des Abtes.
    »Still!« sagte der Abt energisch und legte die Hand auf den geneigten Kopf. »Du benutzt ganz ausgefallene Worte für Dinge, die völlig natürlich und menschlich sind. Maßlosigkeit ist eine Sünde, und in dieser Hinsicht vergehst du dich tatsächlich.
    Aber mir ist klar, daß du, was diese

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