Der Rosenmord
braucht überhaupt keiner zu kommen.«
Für einen Moment vergaß Cadfael seine saumseligen Pflanzen. »Und Robert ließ sich tatsächlich überreden?« wunderte er sich.
»Nur widerstrebend. Er wollte seiner Schwester zur Seite stehen, denn nach dem Scharmützel in Westminster waren viele nur allzugern bereit, sie im Stich zu lassen. Außerdem hat er wohl ohnehin kaum erwartet, beim Grafen von Anjou viel zu erreichen. Allein, er ließ sich überzeugen. Von Wareham aus ist er in See gestochen, doch da der König jetzt den Hafen besetzt hält, wird er bei der Rückkehr einige Schwierigkeiten bekommen. Ein guter, schneller Schachzug war diese Eroberung. Wenn der König jetzt nur seine Stellung hielte!«
»Wir haben zum Dank für seine Genesung eine Messe gelesen«, erwiderte Cadfael abwesend, während er eine hochaufgeschossene Saudistel aus einer Minze zupfte. »Wie kommt es nur, daß Unkraut dreimal so schnell wächst wie die Pflanzen, die wir so gewissenhaft pflegen? Vor drei Tagen war von der Distel noch nichts zu sehen. Wenn der Grünkohl genauso schießen würde, dann könnte ich morgen schon ernten.«
»Zweifellos werden Eure Gebete Stephens Entschlossenheit stärken«, entgegnete Hugh, wenn auch nicht völlig überzeugt.
»Habt Ihr denn immer noch keine Hilfe für den Garten bekommen? Es wird höchste Zeit. Im Frühjahr gibt es hier mehr Arbeit, als einer allein schaffen kann.«
»Heute morgen im Kapitel habe ich dringend darum gebeten.
Wen sie mir geben werden, weiß ich aber nicht. Prior Robert hat ein oder zwei junge Brüder, die er mit Freuden an mich abtreten würde. Erfreulicherweise sind gerade jene, die er am wenigsten schätzt, meist gewitzter und klüger als die anderen.
Vielleicht habe ich Glück mit meinem Lehrling.«
Er richtete sich auf und blickte über die frisch umgegrabenen Beete und die Erbsenfelder, die zum Meole-Bach hin abfielen.
Vor seinem inneren Auge erschienen die letzten Helfer, die ihm im Herbarium zu Hand gegangen waren. Da war der große, übermütige und hübsche Bruder John, der durch ein Versehen ins Kloster gekommen war und es wieder verlassen hatte.
Einige Freunde in Wales hatten ihm heimlich geholfen, die Rolle des Klosterbruders mit der des Ehemannes und Vaters zu vertauschen. Dann Bruder Mark, der als schmächtiger, mißhandelter Sechzehnjähriger schüchtern und still gekommen, zu einem klaren, heiteren Mann herangereift und schließlich zum Priester geweiht worden war. Cadfael vermißte Bruder Mark. Er war inzwischen zum Diakon befördert worden und diente in der Kapelle des Bischofs von Lichfield. Nach Mark war Bruder Oswin gekommen, ein fröhlicher, selbstbewußter und linkischer Geselle, der jetzt seinen einjährigen Dienst im Hospital von St. Giles am Stadtrand versah. Wie mochte der nächste sein? grübelte Cadfael. Man konnte ein Dutzend junger Männer in die gleiche schwarze Kutte stecken, ihnen die Köpfe scheren und sie Tag um Tag und Jahr um Jahr den gleichen eintönigen Stundenplan durchlaufen lassen, und doch würden sie verschieden bleiben, jeder für sich einzigartig. Gott sei Dank!
»Wen immer man Euch schickt«, sagte Hugh, während die beiden auf dem breiten grünen Weg die Fischteiche umrundeten, »wenn er Euch verläßt, wird er verwandelt sein.
Warum sollten sie einen einfachen, schlichten Heiligen wie Rhun auf Euch verschwenden? Er ist vollendet, er kam schon fertig auf die Welt. Nein, Ihr bekommt die Ungeschickten, Verstockten und Wankelmütigen, um sie in die richtige Form zu schmieden. Nicht, daß dabei je die gewünschte Form herauskäme«, fügte er mit breitem Grinsen hinzu. Er warf seinem Freund einen verschlagenen Blick zu.
»Rhun hat es auf sich genommen, den Altar von St. Winifred zu hüten«, sagte Cadfael. »Schließlich hat er ein starkes persönliches Interesse an der kleinen Heiligen. Die Kerzen für den Altar stellt er selbst her, das Duftwasser für das Wachs borgt er sich von mir. Nein, Rhun sucht sich seine Aufgaben selbst, und niemand steht ihm dabei im Weg. Dafür werden die Heilige und er schon sorgen.«
Sie nahmen die kleine Fußbrücke über den Graben, der die Fischteiche und die Mühle speiste, und betraten den Rosengarten. Die gestutzten Büsche zeigten noch kein starkes Wachstum, aber immerhin begannen sich die ersten Knospen zu öffnen, und zwischen den grünen Deckblättern waren rote und weiße Streifen zu sehen. »Sie werden sich jetzt rasch öffnen«, erklärte Cadfael zufrieden. »Nur die Wärme hat
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