Der Rosenmord
abstreiten. Schwester Magdalena war viele Jahre lang die Geliebte eines Edelmannes gewesen. Nach dessen Tod hatte sie sich mit einzigartiger Entschlossenheit nach einem neuen Feld umgesehen, auf dem sie ihre unbestrittenen Fähigkeiten einsetzen konnte. Zweifellos hatte sie die Entscheidung fürs Klosterleben kühl und aus praktischen Erwägungen getroffen. Doch wurde dies wettgemacht durch die Kraft und die Ergebenheit, mit der sie seit dem Tage ihres Eintritts diente. Fraglos würde dies bis zu ihrem Tod so bleiben.
»Meines Wissens«, räumte Cadfael ein, »ist Schwester Magdalena wirklich einzigartig. Ihr habt recht, ihr Eintritt in die Klause geschah nicht aufgrund einer Berufung. Sie sieht ihr Wirken eher als Beruf denn als Berufung an, und sie macht sich gut. Mutter Mariana ist alt und bettlägerig. Schwester Magdalena trägt die Verantwortung für die ganze Klause, und ich wüßte keine Schultern, die diese Verantwortung besser zu tragen imstande wären. Im Gegensatz zu mir wird sie kaum behaupten, es gebe nur einen einzigen wirklichen Grund, den Schleier anzulegen, nämlich eine tiefe Sehnsucht nach einem Leben im Geiste. Gerade deshalb aber solltet Ihr hören, welchen Rat sie Euch geben kann, bevor Ihr einen so ernsten Schritt tut. Vergeßt nicht, daß Ihr jung seid, während sie die Blüte ihres Lebens schon hinter sich hat.«
»Und ich habe die meine zu Grabe getragen«, entgegnete Judith sehr ernst. Sie stellte eine Wahrheit fest, kein Selbstmitleid war herauszuhören.
»Nun, und wenn es um das Zweitbeste geht«, fuhr Cadfael fort, »so läßt sich dies sowohl außerhalb des Klosters als auch in seinem Innern finden. Das Geschäft zu führen, das Eure Vorfahren aufgebaut haben, vielen Leuten Arbeit und Brot zu geben, auch das wäre schon ein erfüllender Lebenszweck, wenn sich denn kein besserer finden ließe.«
»Nur stellt mich dieses Leben vor keine große Prüfungen«, erwiderte sie gleichmütig. »Überhaupt erklärte ich nur, daß ich daran denke, ins Kloster zu gehen. Bisher ist noch nichts entschieden. Und ob ich gehe oder nicht, ich werde gern mit Schwester Magdalena reden, deren Klugheit ich schätze. Ich werde mich hüten, einfach abzutun, was sie mir zu sagen hat.
Gebt mir Bescheid, wenn sie kommt, dann will ich einen Diener schicken und sie in mein Haus bitten oder sie in ihrem Quartier aufsuchen.«
Sie stand auf und nahm das Töpfchen mit der Salbe entgegen. Im Stehen war sie zwei Fingerbreit größer als er, doch schmal und sehr schlank.
»Eure Rosen knospen gut«, sagte sie, während sie über den Kiesweg durch den Garten gingen. »Wie spät sie auch kommen, am Ende blühen sie doch immer gleich.«
Es hätte eine Metapher für das Leben selbst sein können, ein Nachgedanke zu ihrem Gespräch, grübelte er. Doch er behielt seine Gedanken für sich. Es war besser, wenn er sie der gewitzten, durchdringenden Klugheit von Schwester Magdalena überließ.
»Und Eure?« fragte er. »Wir werden eine reiche Auswahl an Blüten haben, wenn St. Winifreds Feiertag kommt. Ihr sollt als Pacht die beste und frischeste Rose bekommen.«
Sie lächelte einen Moment, dann wurde sie wieder ernst und blickte auf den Weg. »Ja«, erwiderte sie und schwieg dann.
Cadfael hatte den Eindruck, daß sie etwas zurückhielt. Ob sie Elurics Unruhe bemerkt hatte und von den gleichen Qual heimgesucht wurde wie der junge Bruder? Dreimal hatte er ihr die Rose gebracht und war in ihrer Nähe gewesen. Wie lange genau? Zwei Minuten im Jahr? Vielleicht drei? Doch nicht der Schatten eines Mannes verdunkelte Judith Perles Augen; jedenfalls nicht der Schatten eines lebenden Mannes.
Allerdings mochte sie reagiert haben, dachte Cadfael – nicht auf den Besuch eines jungen Mannes in ihrem Haus, sondern auf die Nähe des Schmerzes.
»Ich will übrigens gerade zum Haus«, erklärte sie, sich aus ihren Gedanken reißend. »Ich habe eine Gürtelschnalle verloren und will mir eine neue machen lassen, die zu den Rosetten auf dem Leder und dem Verschluß am Ende paßt. Es ist eine Einlegearbeit aus Email auf Bronze. Ein Geschenk von Edred. Niall, der Bronzeschmied, wird sicher eine Kopie herstellen können. Er ist ein guter Handwerker. Ich bin froh, daß die Abtei einen so guten Mieter für das Haus gefunden hat.«
»Ein anständiger, ruhiger Mann«, stimmte Cadfael zu. »Er hält den Garten gut in Schuß. Ihr werdet sehen, daß Euer Rosenbusch bestens gepflegt ist.«
Darauf gab sie keine Antwort. Sie dankte ihm nur für
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