Der rostende Ruhm
stöhnte. Er faßte in die Schublade seines Schreibtisches, nahm eine Schachtel mit Pillen heraus und schluckte mit verzerrtem Gesicht drei Tabletten. Wer nicht wußte, daß es Pfefferminzdrops waren, war bereit, Sporenka alle ausfallenden Redensarten zu verzeihen. Ärger macht alt. Und niemand altert so schnell wie ein Journalist …
Es war ein Irrtum von Gabriele Orth, wenn sie geglaubt hatte, mit dem Vernichten der vier Briefe alles zur Verhinderung des Artikels getan zu haben.
Am Abend des gleichen Tages wurde bei Artur Sporenka angerufen. Es war eine Frauenstimme. Den Chefredakteur verwunderte das am meisten.
»Werden Sie über Professor Bergh schreiben?« fragte diese Stimme.
»Lassen Sie mich mit Bergh in Ruhe!« sagte Sporenka. »Wer sind Sie? Sind Sie die anonyme Schreiberin der Briefe?«
»Eines dieser Briefe …«
»Aus bestimmten Gründen bringen wir solche Dinge nicht.«
»Wissen Sie, daß Professor Bergh sich vor jeder großen Operation drückt?« Die Frauenstimme war klar und sachlich. Sie klang so glaubwürdig, daß Sporenka sofort das Telefon mit dem Tonband koppelte und sich gespannt in seinem Stuhl zurücklehnte.
»Das dürfte wohl eine böswillige Verleumdung sein«, meinte er abfällig.
»Immer, wenn große Operationen kommen, ist Bergh auf einem Vortrag außerhalb Wiens. Vergangene Woche reiste er nach Köln. Aber er war gar nicht in Köln. Man sah ihn auf der Rennbahn in Baden in Begleitung von Fräulein Gabriele Orth.«
»Teufel! Teufel!« Sporenka spürte ein Jucken unter der Kopfhaut. »Woher wissen Sie das alles?«
»Ich habe Bergh selbst gesehen. Vor kurzem gab er bei einer Knochenlues eine falsche Diagnose ab und wollte das Bein als Knochensarkom amputieren! Nur das Eingreifen Dr. Thomas verhinderte das. So sieht es in der St.-Emanuel-Klinik aus, Herr Chefredakteur!«
»Wenn das wahr ist – wenn das …« Artur Sporenka hob den Blick gegen die Decke seines Büros.
»Es ist wahr! Schreiben Sie es – Sie werden sehen, daß Bergh nichts dementieren wird!«
Es machte klick, und die nüchterne Frauenstimme war weg.
»Hallo!« rief Sporenka. »Hallo! Sie müssen mir noch nähere Informationen geben. Sie müssen …«
Aber die Leitung blieb tot. Sporenka legte den Hörer auf, spulte das Tonband zurück und ließ es dann ablaufen. Klar und kalt füllte die Frauenstimme den Raum.
»… vergangene Woche reiste er nach Köln. Aber er war gar nicht in Köln …«
Und Artur Sporenka schrieb seinen Artikel über Professor Martin Bergh, Träger der Hippokrates-Medaille.
Freitag, neun Uhr morgens.
Oberarzt Dr. Werth hatte auf dem Schreibtisch des Chefs bereits alles geordnet hingelegt. Im Lichtkasten waren große Röntgenaufnahmen eingeschoben. Mit weißer Tinte waren diagnostische Hilfsmittel und Hinweise aufgetragen. Auch Dr. Thoma stand an der Tür mit einer Mappe unter dem Arm. Vom Pförtner war die Meldung soeben durchgegeben worden: Der Alte hat den Bau betreten. Er spricht noch mit Schwester Lätitia.
Bergh betrat wenige Minuten später sein Zimmer in gehobener Stimmung. Er hatte die Liste der Neuanschaffungen bekommen und war irgendwie glücklich. Die Auseinandersetzung mit Brigitte Teschendorff und ihre Drohungen nahm er nicht so ernst, daß sie ihn in seiner Tätigkeit hemmten. Sie belasteten ihn zwar, aber er stand fest in der Meinung, daß alles nicht so heiß verzehrt wird, wie es gekocht wird.
»Guten Morgen, meine Herren!« sagte er leutselig. Er ließ sich aus dem Mantel helfen und sah nicht die erstaunten Blicke, die Dr. Werth und Dr. Thoma miteinander wechselten. »Sie scheinen mir einen Großkampftag zu bescheren. Was steht denn auf dem Programm?«
Oberarzt Dr. Werth trat an den Lichtkasten und schaltete die Neonröhren ein. Danach nahm er ein Krankenblatt aus seiner Mappe. »Frau Maria Wollny, sechsunddreißig Jahre alt. Ehemann: Herr Ministerialrat im Bundespresseamt, Dr. Erich Wollny.«
Bergh hob die Hand und unterbrach damit Dr. Werth.
»Mich interessiert allein die Krankheit von Frau Wollny. Ob ihr Mann Bundespräsident ist oder Pennbruder – das ist mir gleichgültig.« Er sprach sehr selbstbewußt und sicher. »Ich sehe da auf dem Bild eine Cholezystitis.«
Oberarzt Dr. Werth legte den Finger auf die Aufnahme.
»Leeraufnahme zeigt schwach eine Füllung der Gallenblase mit kleinen Steinen. Die Cholezystitis mit Biliselektan zeigt deutlich den Steinbefall durch die Steinaussparungen in der kontrastgefüllten Blase.«
Bergh nickte und lächelte Dr.
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