Der rostende Ruhm
großen, trennenden Glasscheiben an.
Bergh beachtete sie nicht. Er blickte hinüber zu den Röntgenbildern, ging mit großen Schritten auf den Lichtkasten zu und drehte die Lampen aus. Danke, hieß das. Ich brauche keine Gedankenstütze. Ich weiß, was ich zu tun habe …
Er wusch sich gründlich, schlüpfte in die Gummihandschuhe, ließ sich den Mundschutz umbinden und die weiße Kappe aufsetzen. Dann ging er, groß, stolz und selbstsicher, an den stummen weißen Mänteln der anderen Ärzte vorbei, grußlos und damit Abstand haltend. Dr. Werth stand bereits an seinem Platz, Dr. Thoma saß hinter Maria Wollny am Narkosegerät und kontrollierte Atmung, Kreislauf und Herztätigkeit. Auf einem EKG-Schirm waren – ähnlich wie bei Radar – der Herzschlag und die Kurven durch kleine, flimmernde und tanzende Elektropunkte zu sehen.
Oberschwester Cäcilia stand am Instrumententisch. Das elektrochirurgische Gerät, Elektromesser, Brenner und die Nadeln waren gesondert neben dem Tisch aufgebaut.
Professor Bergh trat zur Seite und winkte Oberarzt Dr. Werth an den Platz des Operateurs.
»Legen Sie bitte die Gallenblase frei. Die Koagulation und Netzdeckung mache ich.«
Dr. Werth begann sofort. Ohne zu zögern, sicher und richtig machte er den gebräuchlichen hohen Rippenrandschnitt und arbeitete sich durch die vier Schichten in die Tiefe. Ein junger Stationsarzt assistierte. Bergh sah zu.
Gut, dachte er. Dr. Werth arbeitete ruhig und gekonnt. Spaltung der Externusaponeurose und der vorderen Rektusscheibe – Einkerben des Obliquus internus – Spaltung von Muse, transversus und des Bauchfells – es ging alles glatt, schnell, wortlos. Die Instrumente lagen in Werths Hand, kaum daß er sie zu Schwester Cäcilia ausstrecken mußte – der junge Assistent klammerte ab, setzte die Ligaturen und stillte die wenigen Blutungen.
Dann lag die Gallenblase offen. Die weißen Kittel und Hauben drängten sich näher unter die heißen Strahlen der riesigen Operationslampe, die grell den aufgeschnittenen Körper beleuchteten. Dr. Thoma gab die Werte durch – Herz, Atmung, Kreislauf: alles normal.
Professor Bergh schob Dr. Werth zur Seite, als stehe er ihm im Weg. Er beugte sich über die Gallenblase und blickte dann hoch in die ihn umgebenden Gesichter. Er sah nur Augen über den Mundtüchern, Augen, eingepackt in weiß. Augen, die ihn anstarrten. Mitleidlos – wie er plötzlich empfand –, gehässig, spöttisch, auf einen Fehler wartend, lauernd, raubtierhaft.
»Wie recht ich hatte, von einer normalen Ektomie abzuweichen und zur Elektrokoagulation zu greifen, sehen Sie hier«, dozierte er. »Die Galle ist sehr verwachsen. Die Verwachsungen gehen bis in das Leberbett hinein. Würden wir hier normal, also subserös die Galle aus dem Leberbett schälen, käme es zu Blutungen, die unter Umständen lebensbedrohend werden könnten. So aber werde ich elektrisch nach Ausräumung der Galle die gesamten Gallenblasenwände und die Schleimhautreste über dem Leberbett wegbrennen. Durch diese Koagulation schließe ich gleichzeitig alle kritischen Leberblutungen aus, weil – das dürfte ja bekannt sein – alle Adern in der Brennstelle mit veröden. Das ist die sicherste Art, alle Komplikationen zu vermeiden – vor allem bei solchen Verwachsungen wie hier.«
Er sah wieder in die weißen Masken mit den starren Augen darüber. Kein Laut als der seiner Stimme und das leise Summen der Sterilkocher und des EKG-Gerätes war um ihn. Auch die Patientin war ruhig, als wolle sie nicht stören. Das Narkoseschnarchen war verstummt.
»Ich räume jetzt die Gallenblase aus.«
Mit einem Scherenschlag öffnete er die Galle. Dr. Werth hatte vorher die Blase punktiert und die Gallenflüssigkeit abgesaugt. Die gesamte Umgebung war exakt durch Streifen abgedeckt, um etwa herausquellende Galle nicht in die übrigen Organe und den offenen Operationsraum fließen zu lassen.
Mit flinken Fingern räumte Bergh jetzt die Blase aus.
Was bei der Röntgenaufnahme schon sichtbar geworden war, bestätigte sich jetzt: Die Gallenblase war angefüllt mit vielen kleinen Steinen. Ein größerer Stein hatte sich im Cysticus fest eingekeilt und den schmerzhaften Ikterus verursacht.
Bergh nickte zufrieden. Er öffnete auch den Ductus cysticus, holte den Stein hervor und legte ihn mit einer Pinzette demonstrativ auf die abgedeckte Brust Maria Wollnys.
»Nachdem ich die Blase ausgeräumt habe, koaguliere ich jetzt. Sie sehen, daß ich bei einer normalen Ablösung in diesem
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