Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
immer reglos im heißen Wasser. »Seid Ihr nur hergekommen, um mit mir zu experimentieren, oder habt Ihr noch einen anderen Beweggrund, Magus?«
»Thorn plant uns anzugreifen. Und zwar unmittelbar jetzt.« Der Magus versuchte, den Gobelin wieder vor das Loch zu hängen. Für einen Mann mit solcher Macht stellte er sich seltsam ungeschickt an. »In der letzten Nacht hat er gelernt, dass er unsere Verteidigung überwinden kann. Und jetzt wird er kommen.«
Tom trat ein, scheuchte den Magus aus dem Weg und befestigte die Ecken des Gobelins an den schweren Eisennägeln, die in den Bodenbalken des Stockwerks über ihnen getrieben worden waren.
»Wirklich?«, fragte der Hauptmann. »Woher wisst Ihr das?«
Harmodius zuckte die Schultern und schenkte sich etwas Wein ein. »Wir sind auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Ich kann seine Angst spüren. Und seine Wut und Schadenfreude. Genau wie die Äbtissin.«
»Angst?«, fragte Tom. »Angst? Dieser mächtige Kerl hat Angst vor uns?« Er lachte.
Aber der Hauptmann verstand. »Er muss Angst haben«, sagte er. »Ich hätte sie an seiner Stelle auch.«
»Er hat sehr viel zu verlieren«, bemerkte Harmodius. »Aber er weiß, dass er unsere Blide mit einem einzigen Schuss vernichten kann, wenn er nur nahe genug herankommt. Dazu muss er sich natürlich ins Freie trauen. Deshalb hat er es zunächst mit den Lindwürmern versucht, aber sie haben versagt.«
Tom schüttelte den Kopf. »Das klingt, als ob er selbst nur eine Maschine wäre.«
Harmodius nickte. »Gar nicht schlecht, Tom. In gewisser Weise sind Magi kaum etwas anderes als Belagerungsmaschinen auf einem Schlachtfeld. Wir bewegen uns allerdings schneller und sind auch gefährlicher. Aber ich stimme dir zu, dass es auf dasselbe hinausläuft.«
Der Hauptmann verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Warum muss er unbedingt unsere Blide zerstören? Damit er seine eigenen Maschinen gegen die Brückenburg in Stellung bringen kann?«
Harmodius nickte. »Ich nehme es an. Das ist aber nicht mein Fachgebiet.« Er kippte den Wein hinunter. »Ich lasse Euch jetzt allein, damit Ihr Euch anziehen könnt. Die Äbtissin will uns bei Sonnenuntergang sehen.« Er blieb in der Tür stehen. »Und hört nicht mit Euren Übungen auf, junger Mann. Wir brauchen Euch.«
Tom sah ihm nach. »Das ist ein seltsamer Kauz, so viel steht fest.«
Der Hauptmann lächelte und rief ein Handtuch von der Tür herbei. Es flog ihm in die Hand. Er grinste und erhob sich. Das Wasser tropfte von ihm ab.
Tom setzte sich und kippte den Stuhl nach hinten. »Macht das nicht noch einmal«, sagte er. Er hatte sein großes Messer bereits halb aus der Scheide gezogen. »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr so etwas nur tut, wenn Ihr allein seid.«
Der Hauptmann spürte, dass er errötete. »Ich wirke Magie, Tom«, sagte er. »Du weißt, dass ich das kann.«
Tom grunzte. »Wissen und zusehen sind zweierlei.« Er zuckte die Achseln und blickte unbehaglich drein. »Wir haben gestern fünf Soldaten und drei Bogenschützen verloren.« Er warf einen Blick auf seine Wachstafel. »Seit Beginn der Belagerung sind es neun Soldaten und neunzehn Bogenschützen. Also achtundzwanzig – und dazu kommen noch zwei Diener, das heißt, insgesamt sind es dreißig.« Er hob die Schultern. »Jeder Vierte.«
Der Hauptmann zog sich das Hemd über den Kopf.
»Ich will nicht sagen, dass wir aufgeben sollen«, meinte Tom. »Aber vielleicht wäre es an der Zeit, einen Handel zu versuchen.«
»Du auch, Tom?« Der Hauptmann stieg in seine Hose. Sie fühlte sich sauber und frisch an. Und auch er selbst fühlte sich sauber und frisch. Und sehr müde.
»Unsere Verluste werden jeden Tag größer«, sagte Tom. »Ihr müsst wissen, dass ich Euer Mann bin. Ihr seid ein feiner Hauptmann, und sogar Jehannes begreift das allmählich. Aber dies hier ist nicht das, was wir üblicherweise tun. Ein Ungeheuer – na gut. Aber eine ganze Armee von ihnen?« Er runzelte die Stirn.
Der Hauptmann saß auf seiner Pritsche und griff nach den neuen Strümpfen. Sie waren aus tiefschwarzer Wolle – ein wenig grob und kratzig, aber schwer, warm und dehnbar. Er zog den einen vorsichtig über das rechte Bein.
»Wir verlieren nicht«, sagte er.
»Was das betrifft …«, meinte Tom.
»Wir werden hier aushalten, bis der König eintrifft.« Er nahm den zweiten Strumpf.
»Und was ist, wenn er nicht kommt?« Tom beugte sich vor. »Was, wenn unsere Boten nicht durchgekommen sind?«
»Was ist, wenn Schweine fliegen
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