Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
trotzdem viel besser geworden. Ich weiß, dass Ihr gut ausgebildet wurdet. Ihr müsst bloß weniger verschlossen sein.« Er zuckte die Achseln. »Aber ich habe leicht reden.« Er hob die Seife auf und hielt sie außerhalb der Reichweite des Hauptmanns.
»Ich könnte mehr tun, wenn er sich nicht unmittelbar hinter meiner Tür befinden und darauf warten würde hereinzugelangen und mir die Seele herauszureißen«, sagte der Hauptmann und kratzte sich. »Die Seife, bitte.«
Harmodius hob den Gobelin an und blickte nach draußen. »Ein nettes neues Fenster«, sagte er. »Holt Eure Macht anderswo. Ihr wisst doch, wie das geht.«
»Nicht aus der Quelle?«, fragte der Hauptmann.
»Wie wäre es mit der Sonne?«, erwiderte Harmodius.
»Ich bin ein Kind der Wildnis«, sagte der Hauptmann. »Meine Mutter hat mich so gemacht.«
Harmodius sah ihn nicht an, sondern schaute hinaus über die Landschaft. »Vertraut Ihr mir, Junge?«
Der Hauptmann sah die große, stolze Gestalt an. »Nicht wirklich«, sagte er. »Zumindest nicht so sehr, dass ich Euch meine Seife anvertrauen würde.«
Harmodius stieß ein bellendes Lachen aus. »Na gut, verständlich. Vertraut Ihr mir denn als Lehrer der Hermetik?«
Der Hauptmann dachte einige Herzschläge lang nach. »Ich glaube schon«, sagte er schließlich.
Der alte Magus nickte und riss den Gobelin von der Wand, sodass die Strahlen der Nachmittagssonne auf den Waschzuber fielen. »Nehmt die Seife. Mithilfe der Sonne. Na los.« Er hielt die Seife so hoch, dass der Hauptmann sie sehen konnte.
Der Hauptmann spürte die Sonne wie ein schwaches Gewicht auf seiner nackten Haut. Er hob die nasse Hand und ließ sie von der Sonne belecken.
Er hatte die Sonne schon immer gemocht. Besonders im Frühling.
… Duft der Blumen …
Für den Bruchteil eines Herzschlags hatte er es geschafft, doch dann setzte der Ekel ein. Es war wie ein Würgereflex.
Die Seife hatte sich nicht bewegt.
»Bemüht Euch mehr«, sagte Harmodius.
»Ihr könntet mir einfach die Seife geben, und wir versuchen es noch einmal, wenn ich angezogen bin.« Der Hauptmann fühlte sich im Nachteil. Er war nass, nackt, verletzt und verwundbar.
Harmodius kniff die Augen zusammen. »Wirkt den Zauber.«
Der Hauptmann versuchte es erneut. Er ließ sich von der Sonne küssen. Er trank sie …
Und musste spucken. Nur knapp verfehlte er das Badewasser. »Nein«, sagte er.
»Schon besser«, sagte Harmodius. »Sogar sehr gut. Darf ich Euch sagen, was ich an Euch bewundere, Hauptmann?«
»Wollt Ihr es jetzt mit Schmeicheleien versuchen?«, fragte der Hauptmann.
»Es ist nicht so, dass Ihr vor nichts Angst hättet, denn so wie ich es sehe, habt Ihr eigentlich Angst vor allem.« Harmodius verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist vielmehr so, dass Ihr diese Angst jedes Mal überwindet.« Er nickte. »Und jetzt ergreift die Macht der Sonne und wirkt Euren Spruch.«
Er ließ sich von der Sonne liebkosen. Er spürte ihre Macht, die so kräftig war wie guter Käse – dicker und sämiger als die Macht der Wildnis, und überdies intensiver.
Und dann verschloss sich in seinem Geist plötzlich etwas.
»Verdammt«, sagte Harmodius. »Noch einmal.«
Der Hauptmann holte tief Luft und versuchte es erneut. Er konnte die Macht spüren . Und er wollte sie haben. Die Sonne zu berühren …
Die Sonne zu berühren hieß rein zu sein.
Ich bin ein Kind aus Inzest und Hass. Ich wurde geboren, um zum Vernichter zu werden. Ich werde die Macht der Sonne nie für mich selbst gebrauchen können.
Das Badewasser war warm, und die Sonne war ebenfalls warm. Er schob seinen Ekel beiseite und streckte sein Innerstes wieder nach ihr aus. Er dachte daran, in die Sonne hineinzureiten. Er dachte an Pferde in der Sonne. An Amicia, die in der Sonne stand …
Einen Augenblick lang konnte er die Verbindung wieder herstellen. Das Sonnenlicht, das auf seine Hand fiel, war die Verbindung, und wie ein Schwamm saugte seine Hand die raue Macht auf.
Und dann musste er wieder würgen. Er hustete, und die Seife, die sich bereits durch das halbe Zimmer bewegt hatte, fiel zu Boden.
»Aha!«, brüllte der Magus.
»Ich schaffe es nicht«, sagte der Hauptmann.
»Ihr habt es gerade geschafft«, sagte Harmodius. Er hob die Seife auf und gab sie dem Mann ins Bad. »Es gibt keine Grenzen. Es gibt keine Regeln. Ihr könnt die Sonne anzapfen. Lange Zeit wird es Euch noch widerstreben – etwas in Euch wird nicht damit einverstanden sein. Aber bei Gott, Ihr habt gerade die Sonne
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