Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
es«, meinte der Hauptmann und stand auf. »Michael, sag den Dienern, sie sollen Bier und Ahornsirup bringen.« Er lächelte den Prior an. »Schließlich wird es eine lange Nacht werden.« Er sah sich um. »Gelfred?«
»Mylord?«, sagte Gelfred.
»Du musst etwas wahnsinnig Tapferes für mich tun«, sagte er.
Gelfred zuckte nur mit den Achseln.
»Kannst du eine Botschaft von mir an den König überbringen?«
»In der Dunkelheit? Durch die feindlichen Linien hindurch?« Gelfred lächelte. »Mit Gottes Hilfe wird es mir gelingen. Aber bei meinem Glauben, Messire, wenn Ihr noch einmal behauptet, Gott kümmere sich nicht um uns, dann könnt Ihr Eure verdammte Botschaft selbst überbringen.«
Der Hauptmann reichte dem Jäger die Hand. »Diesen Tadel muss ich wohl einstecken, Gelfred.«
Gelfred zuckte noch einmal mit den Schultern. »Betet zusammen mit mir«, sagte er.
»Wir sollten es nicht übertreiben«, erwiderte der Hauptmann.
Gelfred lachte. »Warum mag ich Euch so sehr?«
Nun war es an dem Hauptmann, mit den Schultern zu zucken. »Dieses Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit.«
Eine halbe Stunde später begab sich Gelfred in den Fluss.
Er schwamm eine Viertelstunde lang in der Finsternis und ließ sich dann von der Strömung forttragen, während er sich ausruhte. Er hörte oder spürte einen Lindwurm in der dunklen Luft über sich, tauchte unter und blieb dort, solange es ihm möglich war. Als er wieder an die Oberfläche kam, schlug sein Herz so schnell, dass er ans Ufer schwimmen musste.
»Da geht der tapferste Mann meiner Truppe dahin«, sagte der Rote Ritter zum Prior.
»Ist er vielleicht der tapferste, weil er sich seinen Ängsten stellt?«, gab der Prior zu bedenken. »Er hat Gottes Hilfe.«
Der Hauptmann schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Er beobachtete nur die Dunkelheit und wünschte sich, er befände sich in der Festung. Dann berührte er das verdreckte Taschentuch, das noch immer an seinem Wappenrock haftete. Es war nicht mehr weiß, denn es hatte das Blut und den Eiter verschiedener Feinde abbekommen, und es war fast in zwei Hälften geteilt worden.
Lissen Carak · Amicia
Amicia versuchte, nicht zum Tor zu gehen. Sie versuchte, nicht aus dem Fenster zu schauen. Als eine Gruppe von Soldaten auf erschöpften Pferden in den Hof einritt, zwang sie sich zu warten, bis die Verwundeten hereingebracht wurden.
Ser Tancred teilte ihr mit, der Rote Ritter werde die Nacht auf der Brückenburg verbringen.
Als die letzten Verwundeten geheilt waren, kniete sie in der Kapelle neben der aufgebahrten Äbtissin nieder und betete. Sie öffnete sich ganz für Gott, wie es ihr die Nonnen beigebracht hatten. Und sie gab ein zutiefst empfundenes, ernstgemeintes Versprechen ab.
Irgendwo · Gelfred
Er war müde, ihm war kalt, und er bekam große Angst, als er am anderen Flussufer menschliche Stimmen hörte. Er schwamm so leise wie möglich.
Sie hatten Boote.
Nach einiger Zeit schwamm er auf eines der Boote zu, und ein Wachtposten sah ihn.
»Halt! Alarm! Mann im Wasser!« Eine Armbrust wurde abgefeuert, und der Pfeil flog an ihm vorbei.
»Freund!«, rief er außer Atem. »Aus der Festung!«
Zwar waren sie sehr wachsam, aber sie waren keine großen Schützen. Er schwamm weiter auf sie zu und rief dabei immer wieder, dass er ein Freund sei. Endlich hörten sie auf, ihn zu beschießen, und starke Arme zogen ihn in eine große Barke.
»Bringt mich zum König!«, sagte er.
Ein großer Mann mit dem Akzent eines Hochländers setzte ihn auf eine Bank. »Trink das, Junge«, sagte er. »Du hast nicht den König, sondern die Königin gefunden.«
16
Lissen Carak · Michael
Michael sah dem Hauptmann zu, während dieser schlief. Die Morgendämmerung kam näher, und er fluchte darüber, wach zu sein. Er stand auf, pinkelte in einen Topf, trank ein halbes Glas schalen Weines und spuckte ihn sofort in den Hof.
Dieser Ort stank wie ein Schlachthaus, und die meisten Soldaten hatten eng nebeneinander im Turm geschlafen. In ihren Rüstungen.
Er ging zum Tisch, öffnete seinen Beutel, nahm ein Wachstäfelchen heraus, zog auch seinen Stift hervor und schrieb:
Die Belagerung von Lissen Carak. Fünfzehnter Tag.
Gestern hat der Feind versucht, die Brückenburg zu erstürmen, und obwohl es ihm gelungen ist, seine Ungeheuer in den Burghof zu bringen, wurde er zurückgeschlagen. Wie haben mehr als vierzig Männer, Frauen und Kinder aus den Karawanen verloren und auch drei Soldaten und zwei Bogenschützen sowie vier
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