Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
lächelte.
Der König stieß einen Seufzer aus, als wenn er bis jetzt den Atem angehalten hätte.
Der Hauptmann sah Amicia. Sie stand im Licht des Fensters hinter dem Altar. Sie erschien kaum mehr menschlich, eher wie eine Göttin aus Licht und Farbe. Dabei glitzerte sie vor Macht.
Christus! Sieh sie dir nur an, Junge.
Der Hauptmann beachtete die Worte des Toten nicht weiter.
Er konnte den Blick nicht von Amicia abwenden.
Sie heilte jede verletzte Person, die zu ihr gebracht wurde. Die Macht drang so leicht in sie ein, als atme sie sie ein. Sie trank das ungenutzte Grün von Thorns Hammerschlag, und sie trank die Macht der Sonnenstrahlen, die durch das zerbrochene Kapellenfenster eindrangen – dabei nahm sie die Macht der Quelle in sich auf. Alle drei Ströme vereinigte sie in sich und gab sie in einer Regenbogenwolke wieder von sich. Soldat nach Soldat näherte sich ihr, kniete nieder und stand geheilt wieder auf. Die Männer taumelten davon und begaben sich für den Schlaf in die Arme ihrer Kameraden.
Amicia hielt die Hände über den König, als wäre er nichts als ein weiterer Soldat oder eine der Frauen, die bei der verzweifelten Verteidigung des Hofes verwundet worden war, oder auch ein Kind, das durch den Zusammenbruch des Westturmes verletzt worden war – und er war geheilt.
Dann drehte sie sich um und sah den Hauptmann an.
Ihm stockte der Atem.
Er verspürte den närrischen Drang, sie zu küssen.
Sie berührte ihn. »Du musst deine Macht öffnen, sonst kann ich dich nicht heilen«, sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln. »Vor ein paar Tagen bist du noch nicht so mächtig gewesen.«
Er seufzte. »Du auch nicht«, sagte er.
Es war derselbe Raum. Er hatte beinahe Angst davor, ihn zu betreten, aber er machte nun einen besseren Eindruck. Kein Moos befand sich mehr auf dem Boden, und Prudentias Statue war wiederhergestellt und in eine Nische gebracht worden, die zuvor nicht existiert hatte.
Der Magus hingegen stand auf der Säule in der Mitte des Raumes.
Der Hauptmann ging an ihm vorbei zur Tür.
»Bedenke, was du tust, Junge«, sagte der tote Magus. »Sie ist eine Macht – weder stärker noch schwächer als du.«
Der Hauptmann beachtete ihn gar nicht und öffnete die eisenbeschlagene Tür.
Und da war sie.
Und er war geheilt.
Sie betrachtete das Postament und riss vor Entsetzen die Augen auf. »Mein Gott«, sagte sie. »Was hast du getan?«
Und dann war sie verschwunden.
Nördlich von Lissen Carak · Peter
Sie hielten auf einer Waldlichtung an. Der Boden war beständig nach Norden angestiegen, und sie bewegten sich inzwischen fast genau in nördlicher Richtung. Das war alles, was Nita Qwan wusste – außer dass er noch nie in seinem Leben so müde gewesen war wie jetzt.
Sie legten sich in einem Knäuel hin und schliefen ein.
Am Morgen stand Ota Qwan als Erster auf, und sie liefen wieder los. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie sich über einen Bergrücken kämpften. Einige junge Krieger wurden zurückgeschickt, um die Matronen und Mütter von Neugeborenen zu holen, die nicht so schnell wie die Übrigen waren.
Als auch die letzte Frau den Bergkamm überquert hatte, wurden vorsichtig Feuer entzündet, Essen wurde gekocht und verspeist.
Als Nita Qwan endlich wieder das Gefühl hatte, das Leben könnte doch lebenswert sein, trat Ota Qwan mit einem Speer in den Mittelpunkt des Kreises aus Feuern. Kleinhand, die Älteste der Frauen, stellte sich ihm entgegen.
Er übergab ihr den Speer. »Unser Krieg ist vorbei«, sagte er. »Ich gebe dir den Kriegsspeer zurück.«
Kleinhand ergriff ihn. »Die Matronen werden ihn aufbewahren, bis ein neuer Feind kommt. Unser Dank gehört dir, Ota Qwan. Du hast uns überrascht und Gutes geleistet.«
Sonst sagte niemand etwas – es gab weder Applaus noch Kritik.
Eine Stunde später liefen sie bereits weiter in nördliche Richtung.
17
Lissen Carak · Der Rote Ritter
Die Tage vergingen.
Die Verwundeten waren geheilt und schliefen.
Die toten Männer und Frauen wurden beklagt und begraben.
Die Kreaturen der Wildnis wurden verbrannt, ihre Asche wurde über die Felder verteilt.
Nicht alle Mitglieder der Truppe des Hauptmanns waren gefallen. Einige Soldaten waren verwundet und geheilt worden. Ser Jehannes und Ser Milus hatten nicht an dem Angriff teilgenommen; Tom Schlimm und Pampe waren unversehrt geblieben, auch wenn sie beide mehr als dreißig Stunden schliefen, nachdem man ihnen die Rüstung ausgezogen hatte. Und die Bogenschützen
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