Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
bitte?«
Zum ersten Mal seit vielen Stunden war der Hauptmann in der Lage, sich gründlich umzusehen. Es fühlte sich wie Stunden an, aber später stellte es sich heraus, dass es nur wenige Minuten gewesen waren.
Seine Truppe …
Seine Soldaten waren gefallen. Sie lagen in einem Kreis am Boden, ihre hellen Stahlrüstungen, beschmiert mit Blut, leuchteten im Grün, Grau, Weiß und Braun der Feinde, die sie umgaben.
Aber ihre roten Wappenröcke glichen stark denen, die von den Rittern des Königs getragen wurden.
Die Ritter des königlichen Haushalts lagen zwischen ihnen, und auch einige Ritter des heiligen Thomas in ihrem Schwarz. Viele von ihnen befanden sich jedoch noch auf den Beinen – mehr als ein Dutzend.
»Der König ist hier«, sagte Fitzroy.
»Tot?«, fragte der ausländische Ritter.
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. Er mochte diesen Fremden nicht. Die Gallyer waren ausgezeichnete Ritter, aber äußerst schwierige Leute.
Seine Gedanken schweiften ab.
Gib ihm den König nicht, sagte Harmodius.
Der Hauptmann versteifte sich vor Schreck. Wie hast du das gemacht? Prudentia hat außerhalb meines Palastes der Erinnerung nie zu mir gesprochen.
Sehe ich etwa wie Prudentia aus?, murmelte Harmodius. Überantworte den König nicht diesem Mann. Bring ihn höchstpersönlich zur Festung. Bring ihn zu Amicia, und zwar mit deinen eigenen Händen.
»Gebt ihn mir«, sagte der ausländische Ritter. »Ich werde dafür sorgen, dass er einen guten Schutz erhält.«
»Den hat er hier bereits«, sagte Ser Richard.
Tom Schlimm beugte sich vor. »Hau ab, Junge.«
Der Hauptmann legte Tom die Hand auf die Schulter.
»Ihr müsst Manieren lernen«, sagte der Ritter vom Pferd aus. »Wenn mein Angriff nicht gewesen wäre, dann wäret Ihr alle jetzt tot.«
Tom lachte. »Du hast bloß meine Opferzahl gesenkt, Wicht.«
Sie sahen sich böse an.
Der Prior stapfte zu ihnen hinüber. »Ser Jean? Captal?«
De Vrailly setzte sein Pferd einige Schritte zurück. »Messire.«
»Eine Bahre für den König«, sagte der Hauptmann.
Einige Ritter kamen auf ihren Pferden heran. Er sah das Banner des Grafen von Towbray, und da war auch der Graf der Grenzmarken. Sie beeilten sich, nun da der König gefunden war. Towbray fand die Knappen des Königs und die königliche Standarte und erhob sie. Sie war blutbeschmiert.
Leises Jubeln setzte ein.
Eine lange Reihe von Infanteristen schritt über das Feld der Toten. Vorsichtig mussten sie sich ihren Weg bahnen und nahmen sich dazu Zeit. Als sie herbeigekommen waren, hatte der Hauptmann dem König mit Michaels Hilfe die Brust- und Rückenpanzerung abgenommen und das Kettenhemd gehoben. Ein Dutzend Ringe waren durchtrennt worden, und der Schlag gegen den Schenkel war so heftig gewesen, dass er den Schutzstahl nach innen gebogen hatte, sodass dieser in das Bein eingedrungen war. Der König hatte viel Blut verloren.
Kann ich etwas tun?
Du könntest den Blutfluss stillen. Ich habe deine Macht verschwendet, um dich am Leben zu erhalten. Amicia?
Ich bin hier.
Der Hauptmann lächelte, kniete nieder und legte die Hand auf den entblößten Oberschenkel des Königs, während Michael ihm die Hose und die Unterhose abstreifte. Ohne bewusste Anstrengung entfesselte er Amicias Macht.
Den eigentlichen Zauber hingegen bewirkte Harmodius.
Dem Hauptmann wurde ein wenig übel; er fühlte sich, als wäre er drei Personen gleichzeitig.
Dir ist übel? In seinem Kopf hörte er das Lachen des toten Magus.
Und dann waren die Soldaten der königlichen Garde da – sie waren überall –, und der König wurde hochgehoben und auf einen Umhang gelegt, der von zwei Speeren gespannt wurde … Die ganze Zeit hindurch hielt er die Hand des Hauptmanns fest. So bewegten sie sich gemeinsam, Hand in Hand, über das Schlachtfeld. Es war der längste Weg, den der Hauptmann je gegangen war. Die Sonne strahlte wie ein neuer Feind herab, Insekten überfielen sie wie eine Plage, und der Boden war unsicher.
Doch schließlich hatten sie die Leichen hinter sich gelassen und stiegen die lange Straße zur Festung hinauf.
Die Soldaten, an denen sie vorbeikamen, hielten inne und verneigten sich oder knieten nieder. Die Männer auf dem Feld unter ihnen sangen das Te Deum, und die Musik erhob sich wie das Gewebe eines mächtigen Phantasmas. Der Hauptmann spürte die heiße Hand des Königs in der seinen und versuchte nicht allzu viel darüber nachzudenken.
Die Königin lag in der Kapelle – auf dem Altar. Sie hob den Kopf und
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