Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
nur sein Reitschwert dabei – eine gute Waffe, die aber bloß mit einer Hand geführt werden konnte und eigentlich ausschließlich dazu da war, die Stellung ihres Trägers zu verdeutlichen sowie den Abschaum der Straße auf Abstand zu halten.
»Garde!«, rief der Mann.
Gawin zog sein Schwert aus der Scheide, die Toma ihm entgegenhielt. Er hob die Klinge und wehrte den ersten schweren Schlag seines Gegners ab. Still dankte Gawin seinem überragenden Waffenmeister – und dann hieb der Riese abermals auf ihn ein, und er wich zur Seite aus, wodurch das schwerere Schwert von ihm abglitt wie der Regen von einem Dach.
Der große Mann sprang so schnell wie eine Katze vor, schlug ihm mit der gepanzerten Faust ins Gesicht und schickte ihn damit zu Boden. Nur eine schnelle Kopfdrehung hatte ihn davor bewahrt, Zähne zu spucken. Aber er war ein Ritter des Königs – er rollte herum, spuckte Blut, sprang wieder auf die Beine und zielte auf die Leiste seines Gegners.
Ein einhändiges Schwert hatte in einem Kampf gegen eine schwerere Waffe gewisse Vorteile. Es war schneller, auch wenn der Kämpfer in diesem Fall kleiner war als sein Gegner.
Gawin lenkte seine ganze Wut auf sein Schwert und stieß zu – dreimal, in drei unterschiedlichen Figuren, und versuchte den Giganten mit rasenden Schlägen einzuschüchtern. Das Schwert prallte von der spiegelblanken Rüstung seines Gegners ab, doch der dritte Schlag hätte den Kampf eigentlich entscheiden müssen.
Wäre sein Gegner nicht in Stahl gekleidet gewesen.
Der Riese griff an, trieb Gawin zwei Schritte zurück, und Toma schrie auf. Der Junge war nicht auf einen Kampf vorbereitet gewesen und hatte wie erstarrt dagestanden, doch nun versuchte er wegzulaufen und geriet dabei zwischen die Abwehrschläge seines Herrn. Gawin wäre beinahe hingefallen, da prallte das Schwert des größeren Mannes gegen sein eigenes und lenkte es so ab, dass es tief in Toma hineinfuhr.
Der Ritter trat Gawin in die Lende, als dieser sich umdrehte und nach Toma sehen wollte, dessen Kopf von der Klinge beinahe in zwei Hälften gespalten war. Gawin ging zu Boden und übergab sich vor Schmerz, doch der große Ritter zeigte keine Gnade. Er sprang Gawin auf den Rücken, sodass dessen Nase in den Schlamm des Hofes gedrückt wurde. Dann riss er Gawin das Schwert aus der Hand.
»Gebt auf«, sagte er.
Aber die Nordländer standen in dem Ruf, stur und rachsüchtig zu sein. In diesem Augenblick schwor sich Gawin, den Mann zu töten, wer auch immer er sein mochte, und wenn es ihn sein Leben und seine Ehre kosten sollte.
»Haut ab«, sagte er durch den Matsch und das Blut in seinem Mund.
Der Mann lachte. »Nach dem Gesetz der Waffen seid Ihr nun mein Gefangener, und ich werde Euch zu Eurem König bringen und ihm zeigen, wie sehr er mich braucht.«
»Feigling!«, brüllte Gawin, auch wenn ihm sein Verstand zuflüsterte, dass es klüger wäre, eine Ohnmacht vorzutäuschen.
Eine gepanzerte Hand drehte ihn um und zerrte ihn auf die Beine. »Entfernt Eure Sachen aus meinem Zimmer«, sagte der fremde Ritter. »Dann werde ich so tun, als hätte ich Eure Worte nicht gehört.«
Gawin spuckte Blut. »Wenn Ihr glaubt, dass Ihr mich vor den König schleppen und dabei einer Anklage wegen Mordes entgehen könnt …«
Der blonde Mann schnaubte verächtlich. »Ihr habt Euren Knappen selbst getötet«, sagte er und erlaubte sich dabei ein winziges Lächeln. Zum ersten Mal hatte Gawin Angst vor ihm. »Und einen Mann, der Euch im Zweikampf besiegt hat, einen Feigling zu nennen, das zeugt von sehr schlechten Manieren.«
Gawin wollte wie ein Held sprechen, aber Wut, Trauer, Angst und Schmerz legten ihm die Worte in den Mund. »Ihr habt Toma umgebracht! Ihr seid kein Ritter! Ihr habt einen ungerüsteten Mann in einer Herberge mit einem Kriegsschwert angegriffen!«
Der andere Mann runzelte die Stirn und beugte sich zu ihm vor.
»Ich sollte Euch die Kleidung vom Leibe reißen und Euch von den Stallburschen vergewaltigen lassen. Wie könnt Ihr es wagen, mich – mich! – einen untauglichen Ritter zu nennen? Kleiner Mann, ich bin Jean de Vrailly! Ich bin der größte Ritter der Welt, und das einzige Gesetz, das ich anerkenne, ist das Gesetz des Rittertums. Ergebt Euch, oder ich werde Euch an Ort und Stelle erschlagen.«
Gawin blickte in dieses wunderschöne Gesicht, das weder von Wut oder Erregung noch von anderen Gefühlen verzerrt wurde, und wollte es anspucken. Sein Vater hätte das getan.
Ich will leben.
»Ich ergebe
Weitere Kostenlose Bücher