Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
bringe ihn zum Hof und beweise damit mein Geschick. Und dann kassiere ich Lösegeld für ihn.«
Gaston nickte. »Wir sollten ihm einen Becher Wein anbieten.«
De Vrailly schüttelte den Kopf. »Er tut für seine Schwachheit Buße – für die Sünde des Stolzes, weil er es gewagt hat, sich mir entgegenzustellen, und für sein Versagen als Kämpfer. Eigentlich sollte er dort für den Rest seines Lebens in Scham knien.«
Gaston sah seinen Vetter an, der das Gesicht halb abgewendet hatte. Er betastete seinen kurzen Bart. Was immer er hatte sagen wollen, es wurde durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Johan steckte den Kopf hinein.
»Ein Amtmann aus dem Ort, Monsieur . Er will Euch sprechen.«
»Schick ihn weg.«
Nach einer Weile, während der sich Gaston ebenfalls Wein eingeschenkt hatte, erschien Johan wieder. »Er sagt, er müsse darauf bestehen, mit Euch zu sprechen. Er ist kein Ritter, sondern nur ein hochgeborener Mann. Er trägt keine Rüstung. Er sagt, er ist der Schulze.«
»Ach ja? Schick ihn trotzdem weg.«
Gaston legte seinem Vetter die Hand auf die Schulter. »Ihre Schulzen sind Amtmänner des Königs, oder? Frag ihn, was er will.«
Es war zu hören, wie Johan zuerst sprach, dann brüllte, und schließ lich wurde die Tür aufgeworfen. Gaston zog sein Schwert, genau wie de Vrailly. Ihre Gefährten kamen aus den angrenzenden Zimmern herbei; einige steckten noch in voller Rüstung.
»Ihr seid Jean de Vrailly?«, fragte der Neuankömmling, dem es vollkommen gleich zu sein schien, dass er von bewaffneten Ausländern umringt war, die ihn um mindestens einen Kopf überragten. Er trug Wams und Hose sowie hohe Stiefel, und an seiner Hüfte hing ein Langschwert. Er war etwa fünfzig Jahre alt und neigte zur Dickleibigkeit. Nur der Pelzbesatz an seiner Kappe, sein Gehabe sowie das Schwert an seiner Hüfte deuteten an, dass er ein Mann von gewisser Bedeutung war. Sein Blick sprühte Feuer.
»Das bin ich«, antwortete de Vrailly.
»Ich verhafte Euch im Namen des Königs wegen des Mordes an …«
Der Schulze wurde durch einen einzigen Schlag von Raymond St. David bewusstlos geschlagen; sein Körper sackte zu Boden. »Pah«, sagte St. David.
»Sie sind dermaßen verweichlicht«, meinte de Vrailly. »Hat er Soldaten bei sich?«
»Nicht einen einzigen«, antwortete Raymond und grinste. »Er ist allein gekommen!«
»Was ist denn das für ein Land?«, fragte Gaston. »Sind sie etwa alle verrückt?«
Am Morgen führten Gastons Männer den stumpfäugigen albischen Ritter vom Hof und setzten ihn zusammen mit seiner Rüstung auf einen Wagen, an den seine Pferde gebunden wurden. Er versuchte den Albier in ein Gespräch zu verwickeln, wurde von dem Hass im Blick des Mannes aber abgeschreckt.
»Auf die Schlachtrösser!«, befahl sein Vetter. Bei diesem Befehl setzte ein allgemeines unmutiges Grummeln ein, denn kein Ritter wollte auf seinem Kriegspferd reiten, wenn es die Gelegenheit nicht unbedingt erforderte. Ein gutes und voll ausgebildetes Kriegspferd stellte den Gegenwert von mehreren Rüstungen dar, und ein einziger gezerrter Muskel, ein Schnitt oder auch nur ein schlimmer Huf waren kostspielige Verletzungen.
»Wir müssen den Grafen beeindrucken.«
De Vraillys Ritter stellten sich im großen Hof der Herberge auf, während sich die geringeren Kämpfer auf dem Feld vor der Ortschaft bereitmachten. Sie hatten fast tausend Speere dabei und etwa dreihundert Lanzen. Gaston war schon draußen vor dem Tor gewesen und hatte sich um die einfachen Soldaten gekümmert, und nun war er zurückgekommen.
Der Wirt – ein mürrischer Kerl mit scharf geschnittenem Gesicht – kam heraus und sagte etwas zu dem albischen Ritter auf dem Wagen.
De Vrailly grinste ihn an, und Gaston wusste schon, dass es wieder Schwierigkeiten geben würde.
»Du!«, rief de Vrailly. Seine klare Stimme hallte durch den Hof. »Ich habe etwas gegen dein Maß an Gastfreundschaft einzuwenden, Ser Herbergswirt! Deine Dienstleistungen sind armselig, der Wein ist schlecht, und du hast versucht, dich in die Angelegenheiten eines Edelmannes einzumischen. Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?«
Der rattengesichtige Herbergswirt stemmte die Hände in die Hüften. Gaston schüttelte den Kopf. Er wollte sich tatsächlich mit einem Ritter streiten .
»Ich …«, begann er, als einer von de Vraillys Knappen, der schon auf seinem Pferd saß, dem Wirt von dort aus einen Tritt versetzte. Der Fuß traf ihn an der Schläfe, und er fiel ohne einen
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