Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Königin. Frag sie, ob sie mir die Gefälligkeit erweisen möchte, mich aufzusuchen«, bat er und gab dem Mann eine kleine Kupfermünze – dies war zwischen ihnen ein verabredetes Zeichen. »Und bitte meine Wäscherin, mir ebenfalls einen Besuch abzustatten.« Er gab dem Mann eine Handvoll Silbermünzen, von denen einige so klein wie Pailletten waren.
Mastiff nahm die Münzen entgegen und verneigte sich abermals. Er war an den Magus und seine Seltsamkeiten gewöhnt und eilte davon, als hinge sein Leben von diesem Auftrag ab.
Der Magus schenkte sich einen Becher Wein ein, trank ihn leer, starrte aus dem Fenster und versuchte sich davon zu überzeugen, dass er einen Tag Ruhe einlegen sollte. Wen würde das schon stören?
Aber er fühlte sich zehn Jahre jünger, und als er an das dachte, was er beweisen wollte, schüttelte er den Kopf, und seine Hand zitterte, während sie den Becher hielt.
Er hörte ihren leisen Schritt in dem Korridor, stand auf und verneigte sich tief, als sie eintrat.
»Himmel«, sagte sie; ihre Gegenwart füllte das Zimmer aus. »Ich hatte gerade zu Mary gesagt, wie langweilig mir doch ist!«, lachte sie, und ihr Lachen stieg zu den hohen Deckenbalken auf.
»Ich brauche Euch, Euer Gnaden«, sagte er und machte eine weitere tiefe Verneigung.
Die Wärme ihres Lächelns ließ ihn noch schwindliger werden. Hinterher konnte er nie sagen, ob auch die Lust einen Teil seiner Gefühle für sie ausmachte, die sehr stark, besitzergreifend, furchteinflößend und gefährlich waren.
»Ich habe beschlossen, eine Anrufung durchzuführen, Euer Gnaden, und sähe es gern, wenn Ihr mir dabei Gesellschaft leisten und meine Hand halten würdet. Ich hoffe inständig, dass es ganz wundervoll werden wird.« Er beugte sich über ihre Hand.
»Mein lieber alter Mann«, sagte sie und sah ihn zärtlich an. Er spürte einen Makel an ihren Worten – sie bemitleidete ihn. »Ich ehre deine Bemühungen, aber belaste dich nicht mit dem Versuch, mich zu beeindrucken!«
Er weigerte sich, verärgert zu sein. »Euer Gnaden, ich habe solche Anrufungen schon öfter durchgeführt. Sie sind immer mit Gefahren verbunden, und wie beim Schwimmen unternimmt nur ein Narr sie allein.« Vor seinem geistigen Auge stellte er sich vor, wie er zusammen mit ihr schwamm, und er musste schwer schlucken.
»Ich bezweifle, dass ich einen so mächtigen Fachmann wie dich unterstützen kann – ich, die nur die Strahlen der Sonne auf der Haut spürt, und du, der ihre Macht im innersten seiner Seele empfindet.« Aber sie ging zu der langen Treppe und führte ihn persönlich nach oben. Ihre Schritte fielen ein halbes Jahrhundert leichter auf die Stufen als die seinen. Dennoch atmete er nicht schwer, als sie das obere Ende der Treppe erreicht hatten.
Sie zog ihre roten Schuhe aus und betrat seine Stube vorsichtig mit nackten Füßen, wobei sie den deutlich sichtbaren Zeichen auf dem Boden auswich. Dann blieb sie stehen und betrachtete sie. »Meister, ich habe dich noch nie etwas so … Gewagtes tun sehen«, sagte sie, und diesmal wirkte ihre Bewunderung ungekünstelt.
Sie stellte sich in die Sonne, die nun nicht mehr die Westwand, sondern die Ostwand bedeckte. Die Königin stand so da, betrachtete die Gleichungen und die Gedichtzeilen und kraulte schließlich den fetten alten Kater an den Ohren.
Er schnurrte einen Augenblick lang, dann bohrte er ihr seine Fangzähne in den Handrücken, und als sie ihm daraufhin einen Schlag versetzte, miaute er.
Harmodius schüttelte den Kopf und goss Honig über die punktförmigen Wunden, die der Kater hinterlassen hatte. »Er hat noch nie gebissen«, sagte er.
Sie zuckte die Schultern, schenkte ihm ein schelmisches Grinsen und leckte den Honig ab.
Auch er zog sich nun die Schuhe aus.
Er begab sich zu der beschriebenen Wand, stellte sich dicht davor und las zwei Zeilen, die mit silbernem Stift geschrieben waren. Dann nahm er einen kleinen Stab aus Ebenholz in die Hand, schrieb die beiden Zeilen in die Luft und hinterließ Lettern aus hellem Feuer – dünner als die dünnste Luft und dennoch deutlich sichtbar für ihn und die Königin.
»Oh!«, meinte sie.
Er lächelte sie an. Ganz kurz spürte er sowohl die Versuchung, sie zu küssen, als auch das gleichstarke, aber entgegengesetzte Verlangen, diese Unternehmung sofort aufzugeben.
Sie erinnerte ihn an …
»Pah«, meinte er. »Seid Ihr bereit, Euer Gnaden?«
Sie lächelte und nickte.
»Kaleo se, CHARUN «, sagte der Magus, und das Licht über dem
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