Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
mit ihm mitzuhalten. Er ritt auf den Wagen zu.
Argwöhnisch beobachtete Gaston seinen Vetter. »Du wirst diesen Grafen nicht umbringen, nur weil er dich verärgert hat«, sagte er leise.
»Er hat gesagt, ich sei verrückt«, gab de Vrailly zurück und kniff den Mund zusammen. In seinen Augen glitzerte es. »Seine fünfzig Ritter können wir in einer leichten Morgenübung vernichten.«
»Du wirst ein Königreich voller Leichen hinterlassen«, wandte Gaston ein. »Wenn der alte König wirklich fünfzigtausend Mann vor einer Generation in einer einzigen Schlacht verloren hat, dann muss dieses Königreich fast entvölkert sein. Du kannst nicht einfach jeden töten, den du nicht magst.«
Der Graf holte den albischen Ritter aus dem Wagen und setzte ihn auf ein Pferd, dann ritt er mit geschlossenem Visier zurück, während seine Soldaten dicht hinter ihm folgten.
»Messire«, sagte er, »ich habe im Osten gelebt und weiß, wie dieses Missverständnis entstanden ist. In Albia, Messire, herrscht nicht beständig das Recht des Krieges . Wir haben etwas, das wir das Recht des Gesetzes nennen. Ser Gawin ist der Sohn eines der mächtigsten Lords des Reiches – eines Mannes, der mein Verbündeter ist. Und Ser Gawin hat so gehandelt, wie jeder Albier es getan hätte. Es war nicht erforderlich, dass er sich zu dieser Stunde in voller Rüstung befand – nicht wenn er sich gerade in einer Herberge entspannte. Er befindet sich mit Euch doch nicht im Kriegszustand, Messire. Nach unserem Gesetz habt Ihr ihn heimtückisch angegriffen und könnt dafür zur Verantwortung gezogen werden.«
De Vrailly zog eine Grimasse. »Dann entschuldigt Euer Gesetz Schwachheit und wertet Stärke herab. Er wollte kämpfen und wurde besiegt. Gott hat in dieser Angelegenheit gesprochen, und dazu ist nun nichts mehr zu sagen.«
Die Augen des Grafen waren hinter seinem Visier zu erkennen. Gaston legte die Hand an sein Schwert. Während der Graf vernünftig und ruhig sprach, hatte sich seine Hand an den Griff einer Axt getastet, die an seinem Sattel hing. Seine Ritter hatten allesamt die gleiche Haltung eingenommen – ein wenig vorgebeugt, eine Hand zur Unterstützung auf den Pferdenacken. Sie befanden sich am Rande eines Gewaltausbruchs, waren nur noch einen Schritt von einer blutigen Katastrophe entfernt. Er spürte es genau.
»Ihr werdet Euch für den barbarischen Tod seiner Knappen bei ihm entschuldigen, oder unsere Vereinbarung wird aufgelöst.« Die Stimme des Grafen zitterte nicht, während er die Hand fest auf der Axt hielt. »Hört mir zu, Messire. Ihr könnt diesen Mann nicht zum Hof bringen. Sobald der König Eure Geschichte angehört hat, wird man Euch verhaften.«
»Es gibt in diesem Land nicht genügend Soldaten, die mich verhaften könnten«, sagte die Vrailly.
Die Männer des Grafen zogen ihre Schwerter.
Gaston hob die leeren, gepanzerten Hände und setzte sein Pferd zwischen die beiden Edelmänner. »Meine Herren! Hier liegt ein Missverständnis vor. So ist es schon immer gewesen, wenn sich Ost und West begegneten. Mein Vetter hat nur innerhalb seiner Rechte als Ritter und Seigneur gehandelt. Und Ihr sagt, dass sich dieser Ser Gawin ebenfalls innerhalb seiner Rechte bewegt hat. Müssen wir, die wir so weit gereist sind, nur um Euch zu dienen, Mylord, für dieses Missverständnis etwa bezahlen? Gott gefällt es, dass wir alle Menschen von Verstand und gutem Willen sind. Ich für meinen Teil will mich bei dem jungen Ritter entschuldigen.« Gaston sah seinen Vetter finster an.
Auf dem schönen Gesicht zeichnete sich Verständnis ab. »Also gut«, sagte er. »Er ist der Sohn Eures Verbündeten? Dann will ich mich ebenfalls bei ihm entschuldigen. Aber, beim guten Gott, er braucht unbedingt eine bessere Ausbildung an den Waffen!«
Gawin Murien hatte sich inzwischen so weit erholt, dass es ihm möglich war, seine Rüstung auf eines der Pferde zu legen und ein anderes zu besteigen. Dann folgte er dem Grafen die Kolonne entlang, so wie ein Kind seiner Mutter folgt.
Der Graf hob sein Visier. »Gawin!«, rief er. »Die ausländischen Ritter … sie haben andere Gebräuche. Der Herr de Vrailly will sich bei Euch entschuldigen.«
Der Albier nickte deutlich.
De Vrailly hielt sein Pferd außerhalb seiner Reichweite an, während Gaston näher an ihn heranritt. »Ser Ritter«, sagte er, »ich für meinen Teil bedauere den Tod Eurer Knappen zutiefst.«
Der albische Ritter nickte erneut. »Das ist sehr höflich von Euch«, sagte er mit
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