Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Blick zurück und deutete auf den Boden vor sich. Als der Hauptmann ihn erreicht hatte, sah er verschiedene Spuren – sie gehörten zu drei, vielleicht sogar zu vier Wesen.
»Sie sind von der Art, die Ihr gestern bekämpft habt. Es sind vier. Eines bewegt sich langsamer als die anderen. Zwei sind sehr schnell – und hier haben sie angehalten und geschnüffelt.« Er zuckte die Schultern. »Das ist alles, was ich erkennen kann.«
Neugier – von der Art, die die Katze tötet – trieb die beiden voran. Nach zehn weiteren Schritten gab es sogar Spuren von acht oder zehn Wesen, und nach zehn weiteren Schritten …
»Heiliger Menschensohn und alle Engel!«, entfuhr es Gelfred.
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Amen«, fügte er hinzu. »Amen.«
Sie standen am Rande einer kleinen Schlucht, die breit genug für zwei nebeneinander fahrende Wagen und etwas tiefer als ein Mann auf einem Pferd war. Sie führte von Osten nach Westen. Auf dem Boden wuchs kein Unterholz; sie war wie … eine Straße.
Überall in dieser Schlucht fanden sich aufgewühlte Erde und Spuren.
»Das ist eine ganze Armee!«, sagte Gelfred.
»Schnell weg hier«, meinte der Hauptmann. Er drehte sich um, rannte zurück zur Lichtung und lud dem armen Pferd seine Ausrüstung auf.
Und schon zogen sie fort.
Für eine Weile schien jeder Schatten einen Dämon zu verstecken – bis sie daran vorbeikamen. Der Hauptmann fühlte sich nicht erfrischt. Ihm war kalt, er hatte Hunger und schreckte sogar davor zurück, Tee zu kochen. Das Pferd lahmte wegen der Kälte und weil sich in der eisigen, feuchten Frühlingsnacht niemand um es gekümmert hatte. Doch es schritt unbeirrbar voran.
Dann stellte sich heraus, dass sie nicht weit ziehen mussten, was ihnen vermutlich das Leben rettete. Die Lagerwachen waren offenbar vorgewarnt, denn eine Meile von der Brücke entfernt kam Jehannes mit sechs Lanzen in voller Rüstung auf sie zu.
Jehannes’ Augen waren noch immer blutunterlaufen, aber seine Stimme klang fest.
»Was im Namen des Satans habt Ihr getan?«, wollte Jehannes wissen.
»Die Gegend ausgekundschaftet«, gab der Hauptmann zu. Es gelang ihm, mit den Achseln zu zucken, als ob das kein Grund sei, um sich aufzuregen. Auf dieses Schulterzucken war er sehr stolz.
Jehannes sah ihn mit dem Blick eines Vaters an, der sich die Bestrafung seines Sohnes für einen späteren Zeitpunkt aufsparte – doch dann sah er das Haupt, das hinter dem Pferd über den Boden geschleift wurde. Er ritt zurück und betrachtete es. Und bückte sich darüber.
Seine großen und sorgenvollen Augen verrieten dem Hauptmann, dass er recht gehabt hatte.
Jehannes wendete sein Pferd mit einem brutalen Zerren an den Zügeln.
»Ich werde das Lager benachrichtigen. Tom, gib dem Hauptmann dein Pferd. Mylord, wir müssen die Äbtissin verständigen.« Jehannes’ Tonfall hatte sich verändert. Er klang weniger respektvoll als vielmehr sachlich. Nun ging es nur noch ums Geschäft.
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Gebt mir Mutwills Pferd. Tom, du bleibst in meinem Rücken.«
Mutwill Mordling stieg mit dem für ihn üblichen Missmut ab und murmelte etwas darüber, dass er immer derjenige sei, der den Kürzeren ziehe.
Der Hauptmann beachtete ihn nicht weiter, stieg mit geringer Mühe auf den Gaul des Bogenschützen und galoppierte los, während sich Mutwill am ledernen Steigbügel eines anderen Mannes festhielt und mit voller Kraft neben ihm herlief. Er schien Siebenmeilenstiefel zu tragen.
Die Wache war bereits vor den Eingang des Lagers getreten. Ein Dutzend Bogenschützen und drei Soldaten waren allesamt kampfbereit. Zum ersten Mal, seit er sich am vergangenen Tag die Lanze unter den Arm geklemmt hatte, wurde dem Hauptmann etwas leichter ums Herz.
Der Kopf des Lindwurms schleifte hinter Gelfreds Pferd über den Boden und hinterließ eine Welle aus Gemurmel und Gestarre.
Der Hauptmann ritt vor seinen Pavillon und sprang aus dem Sattel. Er dachte daran, ein Bad zu nehmen und sich die Dreckklumpen aus dem Haar zu waschen. Doch er befürchtete, keine Zeit dazu zu haben.
Also genehmigte er sich einen Becher Wasser.
Jehannes hatte bereits mit dem Wachoffizier gesprochen und ritt nun zu ihm; auf seinem Kriegspferd wirkte er übermäßig groß und gefährlich.
Zwei Bogenschützen – der Lange Sam und Ohnekopf – spießten das Haupt des Lindwurms auf einen Pfahl.
Der Hauptmann nickte ihnen zu. »Stellt ihn vor das Haupttor, wo ihn jeder Bauer sehen kann«, sagte er.
Jehannes sah
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