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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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den Kopf zu lange an.
    »Verdoppelt die Wachen, steckt ein Viertel der Soldaten in Rüstungen und macht einen Plan zur Räumung der Dörfer um die Festung herum«, befahl der Hauptmann. Es fiel ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so müde gewesen zu sein. »Die Wälder sind voll – voll von den Geschöpfen der Wildnis. Sie haben da draußen eine Armee zusammengezogen. Wir könnten jeden Augenblick angegriffen werden.« Er griff nach einem Tintenfass, das auf seinem Feldtisch stand, und kritzelte eine lange Nachricht. Schließlich unterschrieb er sie in Großbuchstaben – es war eine gute Schrift, die von Bildung zeugte.
    Der Rote Ritter, Hauptmann.
    »Zwei Bogenschützen sollen mit Proviant versehen werden und so schnell wie möglich aufbrechen; jeder von ihnen soll zwei gute Pferde bekommen. Sie müssen zum König nach Harndon reiten.«
    »Gütiger Christus«, sagte Jehannes.
    »Wir werden uns unterhalten, sobald ich mit der Äbtissin gesprochen habe«, rief der Hauptmann, während Toby ihm sein zweites Reitpferd brachte, das Gnad hieß. Er stieg auf, befahl Tom Schlimm mit einem einzigen Blick zu sich und ritt den steilen Hang zur Festung hoch.
    Das Tor stand offen.
    Das musste geändert werden.
    Er sprang wieder von Gnad herunter und warf Tom die Zügel zu, der mit weitaus weniger Hast abstieg. Der Hauptmann rannte die Treppe zur Halle hinauf und hämmerte gegen die Tür. Der Priester beobachtete ihn von der Kapelle aus, wie er es immer tat.
    Eine ältliche Schwester öffnete und verneigte sich.
    »Ich muss die Äbtissin sprechen, so schnell wie möglich«, sagte der Hauptmann.
    Die Nonne zuckte zusammen, wandte den Blick ab und schloss die Tür wieder.
    Er fühlte sich versucht, mit den Fäusten abermals gegen die Tür zu hämmern, aber dann unterließ er es doch.
    »Ihr und Gelfred habt dieses … Wesen getötet?«, fragte Tom Schlimm, der nun neben ihn getreten war. Er klang eifersüchtig.
    Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Später«, gab er zurück.
    Tom Schlimm zuckte die Schultern. »Muss ein ziemliches Schauspiel gewesen sein«, meinte er wehmütig.
    »Du bist … hast du mir nicht zugehört, Tom? Nicht jetzt!« Der Hauptmann ertappte sich dabei, wie er die Fenster des Dormitoriums betrachtete.
    »Ich hätt Euch gern begleitet, Hauptmann«, meinte Tom. »Mehr will ich gar nicht sagen. Denkt das nächste Mal an mich.«
    »Christ am Kreuze, Tom!«, rief der Hauptmann. Es war sein erster blasphemischer Fluch seit langer Zeit, und er stieß ihn aus, als die verängstigte, ältliche Nonne gerade wieder die schwere Tür öffnete.
    Ihr Blick verriet ihm, dass sie schon einige Flüche gehört haben musste. Sie neigte den Kopf ein wenig und deutete damit an, er solle ihr folgen. Also stieg er die letzte Stufe hoch und durchquerte die Halle hinter ihr bis zu jener Tür, die er bisher noch nie durchschritten hatte, durch die ihm aber der Wein und ein Schemel gebracht worden waren.
    Sie führte ihn einen Korridor entlang, der von Türen gesäumt war, und eine enge Wendeltreppe mit einer zentralen, reich verzierten Steinsäule hinauf zu einer schönen, blauen Tür. Die Nonne klopfte an, öffnete die Tür und verneigte sich.
    Der Hauptmann schritt an ihr vorbei und erwiderte ihre Verneigung. Offenbar war er noch nicht zu müde für Höflichkeitsbezeugungen. Allmählich beruhigte sich sein Geist wieder, und es tat ihm leid, dass er in Hörweite der Nonne geflucht hatte.
    Es war wie die Rückkehr des Gefühls in einen Arm, auf dem er geschlafen hatte, und damit ging auch das übliche Stechen und Kribbeln einher. Allmählich verließ ihn die Betäubung, und es kehrten zwar keine Sinne, aber immerhin die Gefühle zurück.
    Die Äbtissin saß auf einem niedrigen Stuhl und hielt einen Stickrahmen im Schoß. Das Westfenster fing die mittäglichen Strahlen der Frühlingssonne ein. Ihre Stickerei zeigte einen Hirsch, der von Hunden umgeben war; ein Speer steckte bereits in seiner Brust. Helles Seidenblut floss an seiner Flanke herab.
    »Ich habe Euch herbeikommen sehen. Ihr habt Euer Pferd verloren«, sagte sie. »Und Ihr stinkt nach Phantasmata.«
    »Ihr schwebt in großer Gefahr«, entgegnete er. »Ich weiß, wie das klingt. Aber ich meine es ernst. Es geht nicht um einige einzelne Kreaturen. Ich glaube, dass irgendeine Macht der Wildnis danach trachtet, diese Festung und die Furt einzunehmen. Wenn es ihnen nicht durch Heimlichkeit und List gelingt, werden sie einen Angriff

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