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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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Befremden, woher rührte der Schmerz, von dem ich am liebsten
aufgeschrieen oder aufgelacht hätte? Oder vermochte ich nicht
so zu
fühlen, wie ich dachte? Das war es wohl. Und meine Beziehung
zu Enno?
Wo blieb da die Logik? Was für ein absurder Zustand!
    Warum hatte mir Netti das nicht gesagt? Wie viel
Heimlichkeiten gab
es noch? Welche Täuschungen hatte ich noch zu
gewärtigen? Falsch! Man
hatte mir wohl etwas verheimlicht, aber man hatte mich nicht
getäuscht.
War in dem Falle eine Heimlichkeit keine Täuschung?
    Diese Gedanken wirbelten in meinem Kopf umher, als Nella
wieder das
Zimmer betrat. Sie las offenbar in meinem Gesicht, wie schwer mir
zumute war. Als sie sich an mich wandte, klang ihre Stimme nicht mehr
streng.
    »Natürlich ist es nicht leicht, sich an
völlig fremdartige
Lebensbedingungen und Gebräuche zu gewöhnen. Lenni,
Sie haben schon
viele Hindernisse überwunden — finden Sie sich auch
damit ab. Netti
glaubt an Sie, und sie hat wohl recht. Ist etwa Ihr Vertrauen zu ihr
erschüttert worden?«
    »Warum hat sie mir das verheimlicht? Wo bleibt ihr
Vertrauen zu mir? Ich kann sie nicht begreifen.«
    »Warum sie das getan hat, weiß ich nicht.
Aber sie muss dafür ernste
und gute und gewiss keine kleinlichen Gründe gehabt haben.
Vielleicht
erklärt Ihnen dieser Brief alles. Ich sollte ihn aufbewahren
und Ihnen
geben, falls es zu einem solchen Gespräch
käme.«
    Der Brief war in meiner Muttersprache geschrieben, die Netti
vortrefflich beherrschte.
    »Mein Lenni! Ich habe mit Dir niemals über
meine früheren
persönlichen Bindungen gesprochen, aber nicht deshalb, um
etwas vor Dir
zu verbergen. Ich verlasse mich auf meinen klaren Kopf und vertraue
Deinem edlen Herzen, am Ende wirst Du alles richtig verstehen und
gerecht bewerten, so fremd und ungewohnt Dir auch manche unserer Sitten
sein mögen.
    Ich befürchtete eines... Nach Deiner Krankheit
hattest Du schnell
Kräfte gesammelt, um Deine Arbeit fortzusetzen, aber das
seelische
Gleichgewicht, von dem in jeder Minute und bei jedem Erlebnis die
Selbstbeherrschung in Wort und Tat abhängt, hattest Du noch
nicht
völlig wiedererlangt. Wenn Du Dich mir gegenüber, als
Frau, aus einer
Gefühlsaufwallung heraus, unter dem Einfluss elementarer
Kräfte der
Vergangenheit, die immer in der Tiefe der menschlichen Seele stecken,
auch nur für eine Sekunde so verhalten hättest, wie
das bei Euch in der
alten Welt üblich ist, wo das unschöne
Verhältnis zwischen Mann und
Frau aus Gewalt und Sklaverei entstanden ist —
hättest Du Dir das nie
verziehen. Ja, mein Lieber, ich weiß, Du bist streng, oft
sogar grausam
zu Dir selbst — Du hast diesen Zug aus Eurer rohen Schule des
ewigen
Kampfes mitgebracht.
    Ein unbedachtes Wort von Dir wäre für immer
ein dunkler Fleck auf unserer Liebe geblieben.
    Mein Lenni, ich will und kann Dich beruhigen. Das
hässliche Gefühl,
das mit der Liebe zu einem Menschen die Besorgnis um ihn als sein
Eigentum verknüpft, möge schlafen und niemals in
Deiner Seele erwachen.
Ich werde keine anderen Beziehungen haben. Das kann ich Dir leicht und
fest versprechen, weil angesichts meiner Liebe zu Dir, bei dem
leidenschaftlichen Verlangen, Dir bei Deiner großen
Lebensaufgabe
beizustehen, alles andere für mich belanglos wird. Ich liebe
Dich nicht
nur als Frau, ich liebe Dich wie eine Mutter, die ihr Kind in ein neues
und fremdes Leben führt. Dieses Leben ist voller
Mühen und Gefahren.
Meine Liebe ist stärker und tiefer als jede Liebe, die ein
Mensch für
einen anderen empfinden kann. Und deshalb liegt in meinem Versprechen
kein Opfer.
    Auf Wiedersehen, mein teures, geliebtes Kind.
    Deine Netti.«
    Als ich den Brief gelesen hatte, sah mich Nella fragend an.
    »Sie hatten recht«, sagte ich und
küsste ihre Hand.

6. Auf der Suche
    In meiner Seele blieb ein Gefühl tiefer Erniedrigung
zurück. Noch
schmerzlicher als vorher empfand ich die überlegenheit der
Marsmenschen
bei der Arbeit und auf allen anderen Gebieten. Zweifellos
übertrieb ich
diese überlegenheit und betonte meine Schwäche zu
sehr. In Wohlwollen
und Fürsorglichkeit argwöhnte ich
verächtliche Herablassung, in
Zurückhaltung erblickte ich verborgenen Widerwillen
gegenüber einem
niederen Wesen. Immer weniger war ich imstande, die Dinge richtig
wahrzunehmen und zu beurteilen.
    Mein Geist blieb jedoch ungetrübt, ich arbeitete
jetzt besonders
viel, um die Leere auszufüllen,

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