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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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Sprachen gedruckt
waren, lernte sie die fremden Idiome. Netti entrüstete sich
darüber,
dass Menni und seine Begleiter beim ersten Erdenmenschen, dem sie
begegnet waren, Gewalt angewandt hatten: Sie hatten ihn gefangen
genommen, damit er ihnen helfe, sie mit den irdischen Sprachen bekannt
zu machen. Zugleich bedauerte sie zutiefst, dass sie ihn wieder
freigelassen und nicht auf den Mars mitgebracht hatten. Netti
beschloss, einmal auf die Erde zu fliegen, und als Antwort auf die
scherzhafte Bemerkung ihrer Mutter, sie werde einmal einen Erdenmann
heiraten, erklärte sie nach kurzem Nachdenken: »Das
ist durchaus
möglich.«
    All das hatte mir Netti nie erzählt, in ihren
Gesprächen hatte sie
stets vermieden, die Vergangenheit zu erwähnen. Wie hell die
mütterliche Liebe in Nellas Schilderungen strahlte!
Minutenlang vergaß
ich alles und sah das Mädchen mit den leuchtenden
großen Augen und dem
rätselhaften Hang zu der fernen irdischen Welt lebhaft vor
mir. Aber
das verging bald, die Gegenwart war stärker, ich erinnerte
mich an den
Zweck meines Besuchs, und mir wurde wieder kalt ums Herz.
    Endlich, als das Gespräch auf spätere
Lebensjahre kam, entschloss
ich mich zu fragen, wie sich Netti und Sterni kennen gelernt
hätten.
Dabei gab ich mich möglichst ruhig und ungezwungen.
    »Ach, das ist es!« sagte Nella.
»Deshalb sind Sie zu mir gekommen. Warum haben Sie mich nicht
gleich danach gefragt?«
    In ihrer Stimme klang ungewohnte Strenge. Ich schwieg.
    »Natürlich kann ich Ihnen das
erzählen«, fuhr Nella fort. »Es ist
eine ganz einfache Geschichte. Sterni war Nettis Lehrer, er hielt
Vorlesungen über Mathematik und Astronomie. Nachdem er von
seiner
ersten Reise zur Erde zurückgekommen war — es war
wohl Mennis zweite
Expedition —, sprach er mehrmals über unseren
Nachbarplaneten und seine
Bewohner. Dabei war Netti eine eifrige Zuhörerin. Die Geduld,
mit der
Sterni auf ihre endlosen Fragen einging, beeindruckte sie. Die
nähere
Bekanntschaft führte zur Ehe. Zwei sehr unterschiedliche, in
vielem
gegensätzliche Naturen zogen einander an. Später, in
ihrem gemeinsamen
Leben, erwiesen sich die Gegensätze als stärker, das
Verhältnis kühlte
sich ab, schließlich haben sie sich getrennt. Das ist
alles.«
    »Wann haben sie sich getrennt?«
    »Endgültig nach Lettas Tod. Es begann damit,
dass Netti Letta kennen
lernte. Netti litt unter Sternis analytisch-kühlem Verstand,
er
zerstörte zu systematisch und hartnäckig alle ihre
Luftschlösser und
Träume. Unbewusst suchte sie einen Menschen, der das anders,
sehen
würde. Der alte Letta besaß ein sehr
verständnisvolles Herz und viel
naiven Enthusiasmus. Netti fand in ihm den Freund, den sie brauchte. Er
hörte sich ihre Schwärmereien nicht nur geduldig an,
sondern sie
begeisterten sich gemeinsam an vielen Dingen. Bei Letta erholte sich
Nettis Seele von der rauhen, alles abtötenden Kritik Sternis.
Letta
träumte ebenfalls von einem künftigen Bund zwischen
Erde und Mars,
einem Bund zweier Welten, aus dem ein Leben voller Poesie hervorgehen
würde. Und als Netti erfuhr, dass ein Mann mit einer solchen
Seele
niemals die Liebe und Zärtlichkeit einer Frau kennen gelernt
hatte,
wurde aus der Freundschaft eine Ehe.«
    »Einen Augenblick«, unterbrach ich Nella.
»Habe ich Sie richtig verstanden? Netti war Lettas
Frau?« »Ja, richtig.«
    »Sie haben doch eben gesagt, Netti hätte
sich erst nach Lettas Tod
endgültig von Sterni getrennt.« »Das stimmt.
Was ist daran
unverständlich?« »Gar nichts. Das habe ich
nur nicht gewusst.« Da
wurden wir unterbrochen. Ein Kind hatte einen Nervenanfall, und Nella
wurde zu ihm gerufen. Einige Minuten blieb ich allein. Mir schwindelte
leicht, ich fühlte mich so seltsam, dass sich mein Zustand
nicht
beschreiben lässt. Was war geschehen? Nichts Besonderes. Netti
war ein
freier Mensch und verhielt sich wie ein freier Mensch. Letta war ihr
Mann gewesen? Ich hatte ihn stets geachtet, und ich empfand
für ihn
größte Sympathie, selbst wenn er nicht sein Leben
für mich geopfert
hätte. Netti war gleichzeitig die Frau zweier Männer
gewesen? Ich hatte
doch immer gemeint, die Monogamie entspringe nur den
ökonomischen
Bedingungen, die den Menschen überall einengen und fesseln.
Auf dem
Mars gab es diese Bedingungen nicht, folglich konnten sich
persönliche
Gefühle und persönliche Bindungen frei entfalten.
Woher kam dann mein

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