Der Rote Sarg
wirklich Inspektor Pekkala?«
»Warum sollte ich der nicht sein?«, fragte Pekkala.
»Es ist nur …« Der Wachposten lächelte verlegen und kratzte sich mit dem Daumen an der Stirn. »Ich war mir nicht sicher, ob es Sie überhaupt gibt.«
»Haben wir die Erlaubnis, weiterzufahren?«, fragte Pekkala.
»Natürlich!« Der Wachposten trat zurück und winkte sie durch.
Kirow legte den Gang ein und fuhr los.
Mehrere Minuten lang folgte der Emka der geraden Straße; von der Anlage war nichts zu sehen.
»Wir sind hier wirklich am Arsch der Welt«, murmelte Kirow.
Pekkala brummte zustimmend und sah zu den Bäumen, die sich über den Wagen neigten, als wären sie neugierig zu erfahren, wer darin saß.
Dann entdeckten sie vor sich auf einer Lichtung im Wald mehrere niedrige Ziegelgebäude mit einem Flachdach.
Als sie auf den unbefestigten Innenhof einbogen, ging die Tür zu einem der kleineren Gebäude auf, und ein Mann stürzte heraus. Wie der Wachposten trug auch er eine Militäruniform. Völlig außer Atem eilte er auf den Emka zu.
Pekkala und Kirow stiegen aus.
»Ich bin Hauptmann Samarin«, schnaufte der NKWD-Mann. Er hatte schwarze Haare, dünne Lippen, tiefliegende Augen und asiatische Gesichtszüge. »Hier entlang, Doktor«, keuchte er. »Sie werden Ihre Medizintasche brauchen.«
»Wir sind keine Ärzte«, erwiderte Pekkala.
Samarin war wie vor den Kopf gestoßen. »Ich verstehe nicht«, sagte er. »Was wollen Sie dann hier?«
»Ich bin Inspektor Pekkala, Büro für besondere Operationen, und das ist Major Kirow. Oberst Nagorski war so liebenswürdig und hat sich bereit erklärt, uns durch die Anlage zu führen.«
»Das ist leider nicht mehr möglich, Inspektor«, erklärte Samarin. »Aber ich wäre froh, wenn ich Ihnen zeigen könnte, warum das nicht mehr in Frage kommt.«
Samarin führte sie zum Rand eines großen Sees, aus dem man, wie es auf den ersten Blick schien, das Wasser abgelassen hatte. In der Mitte, mit dem Fahrwerk fast vollständig im Schlamm versunken, stand einer von Nagorskis Panzern. Eine große weiße 3 war auf den Turm gemalt. Zwei Männer standen daneben und hatten die Schultern gegen den Regen hochgezogen.
»Das ist also der T-34«, sagte Pekkala.
»Genau«, bestätigte Samarin. »Und das hier …« – er wies mit der Hand über die schlammige Fläche – »… ist unser Erprobungsgelände. Hier werden die Fahrzeuge getestet.«
Der Regen hatte zugenommen und schlug zischend auf das Laub im nahe gelegenen Wald. Der Geruch der feuchten Erde hing schwer in der Luft, über ihnen türmten sich die dichten Wolken.
»Und wo ist Nagorski?«, fragte Pekkala.
Samarin deutete zu den Männern neben dem Panzer.
Die Männer waren für Pekkala zu weit entfernt, um zu erkennen, welcher von ihnen der Oberst war.
Pekkala wandte sich an Kirow. »Sie warten hier«, sagte er. Ohne weiteren Kommentar trat er einen Schritt nach vorn, schlitterte das steile Ufer hinunter und kam auf dem Rücken liegend unten an. Hände und Kleidung waren schlammverschmiert, deutlich zeichnete sich der bräunlich gelbe Schlick auf dem schwarzen Mantel ab. Schwarzes Wasser lief ihm aus den Ärmeln, als er sich erhob. Er wollte in Richtung Panzer losstapfen, bemerkte aber, dass er einen Schuh verloren hatte. Er fischte ihn aus dem Schlick, stellte sich wie ein Reiher auf ein Bein und zwängte seinen Fuß in den Schuh, bevor er seinen Weg fortsetzte.
Mehrere Minuten watete Pekkala von einem matschigen Tümpel zum nächsten, bis er den Panzer erreichte. Je näher er kam, umso größer wirkte das Fahrzeug. Schließlich stand er direkt davor. Obwohl der T-34 bis zur Hälfte im Schlamm versunken war, ragte er immer noch hoch über ihm auf.
Pekkala sah zu den beiden Männern, die ebenso verdreckt waren wie er selbst. Einer trug einen ehemals weißen Laborkittel, der andere einen braunen Wollmantel mit Pelzkragen, der nun ebenfalls voller Schlamm war. Aber keiner der beiden war Nagorski.
»Sind Sie der Doktor?«, fragte der Mann mit dem Laborkittel. Er hatte ein vierschrötiges Gesicht und zerzauste graue Haare.
Pekkala erklärte, wer er war.
»Nun, Inspektor Pekkala«, sagte der Grauhaarige und breitete weit die Arme aus. »Willkommen im Tollhaus.«
»Ein Ermittler, so schnell«, sagte der andere spöttisch, ein kleiner, schmächtiger Mann mit so blasser Haut, dass sie aussah wie Perlmutt. »Ihr verliert aber auch gar keine Zeit.«
»Wo ist der Oberst?«, fragte Pekkala. »Ist er verletzt?«
»Nein, Inspektor«,
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