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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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Angelegenheit wie dieser?«
    »Er wird wütend sein«, antwortete Pekkala. »Aber die Zarin hat die Ermittlungen angeordnet. Ich kann mich ihnen nicht verweigern, der Zar kann mir also schwerlich einen Vorwurf machen, wenn ich hierherkomme, um mit Ihnen zu reden.«
    Sie drehte sich zu ihm um. »Aber er wird Ihnen einen Vorwurf machen, Pekkala, aus dem ganz einfachen Grund, weil er seiner Frau keine Vorwürfe machen kann. Er wird ihr alles verzeihen, ganz egal, was sie tut. Aber bei Ihnen dürfte das anders sein, oder, Pekkala?«
    »Jetzt mache ich mir um uns beide Sorgen.«
    »Das müssen Sie nicht«, erwiderte sie. »Mir wird nichts passieren, Inspektor. Wenn die Zarin mich aus dem Weg haben wollte, hätte sie schon vor langer Zeit dafür gesorgt. Ich fürchte, sie hat es eher auf Sie abgesehen.«
    Ihre Worte legten sich zentnerschwer auf ihn. Sie hatte recht.
    Im Lauf ihres Gesprächs wurde Pekkala klar, dass Madame Kschessinskaja in so ziemlich allem das genaue Gegenteil der Zarin war. Dass sich der Zar in eine Frau wie Kschessinskaja verliebt hatte, schien nicht nur verständlich, sondern geradezu unausweichlich.
    »Danke, Madame Kschessinskaja«, sagte er, als sie ihn zur Tür begleitete.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Inspektor«, erwiderte sie. »Die Zarin möchte Sie vielleicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen, aber nach allem, was ich von Ihnen weiß, dürften eher Sie derjenige sein, der den Wolf auffrisst.«
    Eine Woche darauf trat Pekkala erneut vor die Tür zum Malvenboudoir.
    Er fand die Zarin auf dem Tagesbett vor, exakt so, wie er sie verlassen hatte – als hätte sie sich seit ihrer letzten Begegnung nicht gerührt. Sie strickte einen Pullover; rhythmisch klackten die Nadeln gegeneinander.
    »Ich habe meine Ermittlungen durchgeführt«, sagte er.
    »Ja?« Die Zarin hielt den Blick auf die Nadeln gerichtet. »Und was haben Sie herausgefunden, Inspektor?«
    »Nichts, Exzellenz.«
    Abrupt kamen die klickenden Nadeln zum Halt. »Was?«
    »Ich konnte keinerlei Unregelmäßigkeiten entdecken.«
    »Verstehe.« Sie presste die Lippen zusammen und wurde blass.
    »Meiner Meinung nach, Exzellenz«, fuhr er fort, »ist alles so, wie es sein sollte.«
    Mit hasserfülltem Blick sah sie ihn an, als ihr die Bedeutung seiner Worte klarwurde. »Hören Sie, Pekkala«, sagte sie durch zusammengebissene Zähne. »Vor seinem Tod hat mein Freund Grigori unmissverständlich deutlich gemacht, dass eine Zeit des Gerichts kommen wird. Dann werden alle Geheimnisse aufgedeckt, und jene, die nicht dem Pfad der Tugend gefolgt sind, haben niemanden mehr, an den sie sich wenden könnten. Was, frage ich mich, wird an diesem Tag mit Ihnen wohl geschehen.«
    Pekkala dachte an Rasputin, nachdem die Polizei ihn aus dem Fluss gezogen hatte. Was hätte die Zarin über das Jüngste Gericht gesagt, wenn sie ihren Freund an diesem Tag gesehen hätte, als er mit einer Kugel im Kopf auf der Kaimauer lag?
    Die Zarin wandte sich ab und entließ ihn mit einer geringschätzigen Handbewegung.
    Danach begegnete Pekkala manchmal Madame Kschessinskaja, wenn sie im Gostiny Dwor Besorgungen machte oder in der Passasch einkaufen war. Sie sprachen kein Wort miteinander, hatten aber immer ein Lächeln für den anderen übrig.

B is Pekkala seinen Tee getrunken hatte, war Babajaga – wie es oft passierte – eingeschlafen. Ihr Kinn ruhte auf der Brust, sie atmete schwer.
    Er verließ die Wohnung und schloss leise hinter sich die Tür. Im Gang zog er die Schuhe aus, um die anderen Bewohner nicht zu wecken.
    Als Pekkala am nächsten Morgen ins Büro kam, war Kirow bereits da.
    Ebenfalls anwesend war Major Lysenkowa.
    Kirow stand neben ihr und hielt ihr seine Kumquat-Pflanze in ihrem rostfarbenen Topf hin. »Sie sollten mal eine probieren!«, drängte er.
    Keiner der beiden hatte Pekkala bemerkt.
    »So etwas bekommen Sie vielleicht nie mehr zu Gesicht«, beharrte Kirow. Das Sonnenlicht, das durch die verdreckten Fenster fiel, schimmerte auf den wächsernen grünen Blättern.
    »Dann wäre es mir auch egal«, entgegnete Lysenkowa.
    Pekkala zog fester als sonst die Tür zu.
    Kirow fuhr zusammen. »Inspektor! Da sind Sie ja!« Er drückte sich die Pflanze an die Brust, als wollte er hinter ihr Deckung nehmen.
    »Was können wir für Sie tun, Major Lysenkowa?«, fragte Pekkala, zog seinen Mantel aus und hängte ihn an den Haken neben der Tür.
    »Ich bin hier, um Sie um Hilfe zu bitten«, sagte Lysenkowa. »Wie Sie vielleicht gehört haben, wird der Fall

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