Der rote Tod
da die meisten der Jungen nicht gerade wenig Erfahrung mit körperlicher Züchtigung hatten. Sie waren neugierig gewesen; nun, da ihre Neugier befriedigt war, kümmerten sie sich um andere Dinge.
»Warum hast du nicht gesagt, du seist gegen eine Tür gelaufen?«, fragte ich sie, als wir nach Hause ritten.
»Das wäre eine Lüge gewesen.«
»Ich weiß, aber wenn irgendeiner von ihnen das seiner Familie gegenüber erwähnt, könnte das eine Menge Gerüchte in die Welt setzen, ohne dass jemandem die Wahrheit bekannt ist. Ich dachte, du wolltest sicherstellen, dass die Leute die Fakten kennen.«
»Das will ich auch. Aber behalte das im Kopf, was du darüber gesagt hast, dass Erwachsene viel eher anderen Erwachsenen glauben. Ich zweifle daran, dass das in ihren Gesprächen überhaupt auftauchen wird, wenn sie nach Hause kommen. Nathans Kaninchen hat viel mehr Aufsehen erregt als ich.«
»Ha! Roddy Finch konnte seine Augen nicht von dir abwenden. Das wird sich herumsprechen, liebe Schwester, mach dir da mal keine Sorgen.«
»Du machst dir schon genug für uns beide, und was hast du gegen Roddy Finch einzuwenden?«
»Überhaupt nichts, wirklich, nur gegen seinen garstigen kleinen Bruder. Mit diesem Jungen wird es eines Tages Ärger geben.«
Viel zu bald befanden wir uns wieder auf dem Weg zu unserem Haus. Noch nie zuvor hatte es uns widerstrebt, nach Hause zu rückzukehren. Keiner von uns wusste, was auf uns warten Würde, und wir waren auch nicht besonders erpicht darauf, es herauszufinden. Nach dem fröhlichen Lärm und den Aktivitäten bei Rapelji schien alles unheilvoll still und düster.
»Ich hoffe, Vater hat die Sache in Ordnung gebracht«, sagte ich mit dünner Stimme.
Elizabeth nickte. Wir ritten zu den Ställen und saßen ab. Die Stallburschen dort erledigten ihre Arbeit mit den Pferden stumm. Offensichtlich wussten sie etwas über die Geschehnisse der letzten Nacht, und Elizabeth ertrug ihr neugieriges Starren. Aber es wäre ungehörig gewesen, wenn sie ihre unausgesprochenen Fragen beantwortet hätte. Also ignorierte sie sie vollkommen.
»Es ist wahrscheinlich hier schon überall bekannt«, meinte ich, als wir zum Haus stapften.
Sie nickte. »Heute ist Samstag. Ich muss mich entscheiden, was ich zum Kirchenbesuch trage.«
Ich schluckte bei dem Gedanken an das, was dieser Kirchenbesuch mit sich brachte. Das ganze Dorf würde sie morgen sehen.
»Und falls jemand fragt, werde ich ihnen wahrheitsgemäß antworten«, fügte sie hinzu. Sie wirkte gelassen.
Jericho musste Ausschau nach uns gehalten haben. Er öffnete die Seitentür und kümmerte sich um unsere Mäntel und meine Büchertasche.
»Was ist heute passiert?«, fragte ich.
»Alles war ganz ruhig. Ihre Mutter blieb bis zum frühen Nachmittag in ihrem Zimmer; dann kam sie herunter, um etwas zu essen. Mrs. Hardinbrook saß bei ihr, und der Arzt ging verschiedene Male hinauf. Jetzt sind sie alle im Wohnzimmer, trinken Tee und spielen Karten.«
»Was ist mit Vater?« An diesem Morgen hatte ich Jericho gebeten, seine Augen und Ohren für mich offen zu halten. Auch hatte ich ihm erzählt, was Vater in Bezug auf seinen Verkauf gesagt hatte. Wenigstens einer von uns war heute nicht von dem Kummer betroffen, einer Ungewissen Zukunft entgegenblicken! zu müssen.
»Er hatte ein langes Gespräch mit ihr ...« Er unterbrach sich denn Vater kam aus der Bibliothek und ging mit großen Schritten auf uns zu. Er sah ziemlich grimmig aus, aber seine Begrüßung war herzlich. Jericho, der spürte, dass er über flüssig war, verschwand.
Ich konnte nun nicht mehr länger an mich halten. »Vater, sag mir ...«
»Ja, Jonathan, ich habe mit ihr gesprochen.« Er sah sehr müde aus, und meine Stimmung sank, denn ich wusste, was er sagen würde. »Sie ließ sich nicht erweichen, mein Kleiner.«
»Oh, Vater.« Ich fühlte einen Kloß im Hals, als stünde ich neben einem Henker auf einem Schafott.
»Sie war steinhart. Du wirst nach England und Cambridge gehen«, sagte er mit einer Stimme, die so heiser war wie meine eigene.
Elizabeth stöhnte auf und legte einen Arm um mich.
»Dann habe Gott Gnade mit meiner Seele«, sprach ich kummervoll und versuchte nicht länger die Tränen zurückzuhalten, die hervorbrechen wollten.
KAPITEL
4
»Heda, Sir! Woll'n Se heiraten?«
London, August 1773 Der fast zahnlose junge Mann, der mich ansprach, als ich der Kutsche entstieg, war besoffen vom Gin.
»Hab' 'ne hübsche Ehefrau für Sie, Sir! Süß un' willig.« So hätte
Weitere Kostenlose Bücher