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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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dass Elizabeth ein Talent dazu hatte, Geschichten zu erzählen.
    Rapelji, der arme Mann, war ratlos, wie ich es vermutet hatte. Er hatte keinen Sinn für gewaltsame häusliche Auseinandersetzungen; seine bevorzugten Schlachten fanden in den Geschichtsbüchern statt – je älter, desto besser.
    »Ich weiß, ich habe Sie in Verlegenheit gebracht, Sir«, meinte sie. »Und ich entschuldige mich, aber ich hatte das Gefühl, dass ausgerechnet Sie wissen sollten, was passiert ist.«
    »Ja, ja. Oh, Sie armes Mädchen.«
    »Wie auch immer, Sie kennen jetzt die Wahrheit. Ich hielt es nicht für fair, Ihnen unsere Situation vorzuenthalten. Mutter hat ein furchtbares Temperament, und es ist wahrscheinlich, dass man es bei der kleinsten Provokation zu spüren bekommt. Vater sagte, sie hätte das geerbt. Aber der Arzt, der bei uns zu Besuch ist, scheint die Dinge im Griff zu haben.«
    Rapelji stieß seinerseits einen Seufzer aus. »Nun, ich kann versprechen, dass Ihr Geheimnis hier bleibt« – er tippte eins seiner Ohren an – »und nicht weitergegeben wird. Es tut mir so Leid, dass Sie dieses Problem haben. Wenn Sie je in Bedrängnis sein sollten, stehe ich Ihnen zu Diensten.«
    Hinter ihm bewegte sich die scheinbar geschlossene Küchentür leicht.
    Kachel und Sarah hatten alles gehört, und Elizabeth wusste es. Sie sprach betont klar und deutlich und ohne die Stimme zu senken, wie es andere wohl getan hätten, während sie über etwas Vertrauliches sprachen.
    »Mr. Rapelji, Sie haben uns schon sehr geholfen, nur indem Sie hier sind«, sagte sie, während sie seine Hand tätschelte.
    Unser Lehrer lächelte breit. »Nun gut, bitte sehr!«
    Dies brachte Elizabeth zum Lachen, und er forschte nach, ob wir noch andere Probleme hätten, die Unterstützung erforderten. In diesem Moment ergriff ich das Wort und erzählte ihm von der Sache mit Cambridge.
    »Und Sie wollen nicht gehen?«, schrie er. »Warum denn bloß licht?«
    »Es ist so weit weg. Und wie sie es dargestellt hat...« Das klang selbst in meinen Ohren schwach, und Rapelji stürzte sich darauf. »Also stören Sie sich an der Verpackung, nicht an dem Geschenk selber.«
    »Geschenk?« Das war nicht die Art Unterstützung, die ich erwartet hatte.
    »Versuchen Sie es als Geschenk zu sehen, nicht als Bestrafung, Mr. Jonathan. Was für einen Unterschied macht es, wenn Ihnen der Gedanke etwas rau präsentiert wurde? Es ist der Gedanke, der zählt: die Chance, eins der großen und legendären Zentren der gehobenen Gelehrsamkeit in der Welt zu besuchen.«
    »Ich hatte darüber schon ein wenig nachgedacht, Sir«, sagte ich mit sehr schwachem Enthusiasmus, aber die Feinheit entging meinem Lehrer.
    »Gut! Denken Sie noch ein wenig mehr darüber nach. Falls Ihr Vater Mrs. Barretts Absicht nicht ändern kann, fühlen Sie sich dann nicht so schlecht, wenn Sie doch gehen.«
    »Ich würde nicht darauf wetten, Sir«, murmelte ich.
    Rapelji schlug mir auf die Schulter, immer noch strahlend.
    In diesem Moment schwang die Vordertür weit auf, als zwei seiner anderen Schüler für ihren Tagesunterricht eintrafen. Das waren die Finchjungen, Roddy und Nathan.
    Wir standen auf und begrüßten sie, und Rapelji ließ sie das Ritual abspulen, um meiner Schwester Respekt zu erweisen. Roddy, der in meinem Alter und ziemlich linkisch war, wurde rot, als er sich verbeugte. Ohne Zweifel erschien ihm Elizabeth als sehr schön, trotz ihres Blutergusses. Er glotzte neugierig, aber außer einer allgemeinen Erkundigung nach ihrem Wohlbefinden äußerte er sich nicht weiter. Darauf erhielt er eine höfliche, aber allgemeine Antwort, dass es ihr heute ganz gut ginge, danke.
    Nathan, ein vierzehnjähriger Junge mit mürrischem Gesichtsausdruck, der sich bewusst war, dass Manieren eine Verschwendung seiner Zeit bedeuteten, schaffte kaum eine Verbeugung. Es war gerade gut genug, um seinen Zweck zu erfüllen, aber nicht so wenig, dass ihm dafür eine Rüge erteilt worden wäre.
    »Ich hab' heute ein Kaninchen erlegt«, verkündete er stolz, darauf erpicht, ein Thema zur Sprache zu bringen, das mehr nach seinem Geschmack war.
    »Hast du das gerade eben getan?«, fragte Rapelji.
    »Ein schönes, fettes für den Kochtopf.« Aus der Leinentasche, in der er alle seine Dinge mit sich trug, zog er ein langes, schlaffes Bündel aus graubraunem Fell.
    »Hab's mit 'ner Schlinge gefangen und ihm selbst den Hals umgedreht.«
    »Das heißt: ›Ich habe es mit einer Schlinge gefangen‹, Nathan«, begann Rapelji, ganz

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