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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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wochenlanges Starren auf Meilen bodenlosen grauen Wassers, holprige Kutschfahrten und Ärger mit einem besoffenen Kuppler bedeutete, dann konnte ich gerne darauf verzichten. Um gerecht zu bleiben: London versprach viele interessante, aufregende und schreckliche Dinge, und das Essen im ›The Three Brewers‹ war schmackhaft, wenn auch nicht so gut wie das, was Mrs. Nooth zu Hause auftischte.
    Ich drückte zwei Walnüsse gegeneinander und wünschte mir eine schnelle Heimkehr. Ungeachtet Mutters Anwesenheit war es trotzdem das Vertraute. Ich zertrümmerte die Schalen und fischte den Kern heraus.
    Mutter. Andere Männer dachten an das Wort mit Liebe und Innigkeit. Alles, was es in mir hervorrief, war Ärger und Frustration.
    Vaters Argumentation konnte sie nicht dazu bewegen, ihre Meinung zu ändern, ebenso wenig meine Tränen – nicht, dass ich vor Mutter geweint hätte. Das zu tun hätte bei ihr nur Verachtung hervorgerufen. Stattdessen arrangierte ich ein privates Gespräch, in der Hoffnung, dass eine direkte Bitte fruchten würde. Dieses fand nach dem ausgedehnten Besuch bei Rapelji statt, schlug aber völlig fehl, noch bevor ich überhaupt den Mund öffnete. Der nackte Ekel auf ihrem Gesicht, als sie mich ansah, machte mich vollkommen hilflos. Ich hatte keine Erfahrung im Umgang mit Verrückten und hegte auch nicht den Wunsch, mir welche anzueignen. Mein einziges Verlangen war es, den Raum zu verlassen und sie nie wieder zu sehen. Da mein Versuch, sie zu überzeugen, im Keim erstickt worden war, musste ich mit einem anderen Grund aufwarten, meinen Besuch zu rechtfertigen. Mit rotem Gesicht und mit Schweißtropfen unter den Armen redete ich Unsinn, stotterte eine Entschuldigung und schloss mit einer kleinen Rede, die meinen Dank für ihre Großzügigkeit mir gegenüber trotz meiner Vergehen ausdrückte.
    Ich sagte nicht, wofür ich mich entschuldigte; ich konnte diesem Vergehen keinen Namen geben. Ich fühlte mich wirklich wie ein kompletter Dummkopf, indem ich die Schuld an etwas zugab, das nur in ihrem kranken Gehirn existierte. Wenn man kindische Flunkereien mitzählen will, dann war dies nicht das erste Mal, dass ich je gelogen hatte, aber es war das erste Mal, dass ich so ausführlich und überzeugend gelogen hatte. Je mehr ich sagte, desto schlechter fühlte ich mich. Sogar als die Worte zu sprudeln begannen und in ausgefeilte Formulierungen mündeten, mit denen ich mein Bedauern ausdrückte, schwor ich mir, mich nie wieder in solch eine Lage zu begeben. Dieses Erlebnis hinterließ in mir das Gefühl, mich besudelt zu haben, und zweifellos hatte ich an diesem Tag zumindest einen Schatten auf meine Ehre geworfen, wenn ich sie nicht sogar vollkommen in den Schmutz gezogen hatte.
    Es war eine unmögliche Situation, da pflichtete Elizabeth mir bei, aber was sonst konnte getan werden? Die Frau war wahnsinnig, aber sie war unsere Mutter, und wir waren unglücklicherweise Opfer ihrer wunderlichen Einfälle. Das andere Problem war, wie Vater dargelegt hatte, das Geld. Für eine gute Ausbildung brauchte ich die Summe, die sie für mich zur Seite gelegt hatte – die mir verweigert werden würde, falls ich auf Harvard bestand. Nun gut, dann würde ich eben nach Cambridge gehen. Wenn ich ein paar Minuten vor dieser irren Kreatur kriechen müsste, um mich einzuschmeicheln, dann würde ich kriechen, und ich tat es. Gründlich.
    Es funktionierte. Ein entfernter Anflug eines merkwürdigen Lächelns huschte über ihr Gesicht, und sie kostete selbstgefällig ihren Triumph aus. Mir war vergeben worden. Meine Zukunft war gesichert. Es war Zeit für ihren Nachmittagstee. Ich erhielt die Erlaubnis zu gehen.
    Nach dieser bitteren Demütigung verurteilte ich Beldon und Mrs. Hardinbrook nicht mehr so hart für ihre Speichelleckerei.
    Im Anschluss an meine schmachvolle Szene mit Mutter ging ich zu Vater. Ich brauchte eine Weile, um den Mut dazu aufzubringen, aber schließlich unterbreitete ich ihm einen Gedanken, den ich schon die ganze Zeit im Kopf herumgewälzt hatte: die Möglichkeit, sie für unzurechnungsfähig erklären zu lassen.
    Ich hatte befürchtet, er wäre wütend auf mich, aber mir wurde klar, dass er darüber selbst schon nachgedacht hatte.
    »Wie beweisen wir das, mein Kleiner?«, fragte er. Als ich mit der Antwort zögerte, fuhr er fort. »Es wäre anders, wenn sie herumlaufen und ständig aus vollem Halse wirres Zeug hervorstoßen würde, aber du hast gesehen, wie sie ist. Sie hat sich über diesen Zwischenfall

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