Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
Vom Netzwerk:
willst unsterblich werden?«, brüllte Mogda. »Dann pass auf, dass du mir nicht zu nahe kommst.«
    Sigurt linste vorsichtig zwischen seinen Fingern hindurch. Es dauerte eine Weile, bis er erkannt hatte, dass er in Sicherheit war. Er schnappte sich die Knute und beugte sich über die Lehne seines Throns. Der alte Magier trat mit zufriedener Miene vor. Völlig unerwartet schlug Lord Sigurt zu und zielte auf den Rücken des Alten.
    »Das war zu spät, zu spät, zu spät!«, knurrte er. Der Magier ließ sich den Schmerz und die Demütigung nicht anmerken. »Wenn du noch einmal jemanden so dicht an mich herankommen lässt, lasse ich dich von deinem Nachfolger in Stein verwandeln und als Putte in den Garten stellen. Und ihr, ihr dämlichen Trottel«, Sigurt zeigte auf seine Leibgarde und die Wachen, »ihr bringt dieses Viech und die beiden Männer in den Kerker. Mal sehen, ob ich meinem Volk nicht eine Freude machen kann.«

36
Dunkle Machenschaften
    Cindiel saß am Fenster der »Goblinschmiede«. Die Wahl dieser Schänke hatte nichts mit der ausgefallenen Namensgebung, den zwielichtigen Besuchern oder dem kaum genießbaren Essen zu tun. Alles, was sie an dieser Spelunke interessierte, war die Aussicht. Den halben Abend hatte sie damit verbracht, auf das Freiwerden genau jenes Platzes zu warten, auf dem sie nun saß. Eine weitere halbe Stunde hatte sie damit zugebracht, auf ein Gläschen hochprozentigen Rum zu warten, mit dem sie jetzt versuchte, die Scheibe so weit zu reinigen, dass man hindurchsehen konnte. Die schmierige Schicht auf den Butzenfenstern setzte sich aus Tabakqualm, Fett, Kerzenwachs und Staub zusammen. So unauffällig es ging, tauchte Cindiel den Ärmel ihres neuen Kleides in das winzige Glas und spannte den Stoff über ihren Daumen. Mit betont gelangweilter Miene wischte sie ein kreisrundes Guckloch frei. Ein kurzer Blick zeigte ihr, dass ihre Bemühungen nicht umsonst gewesen waren.
    Von einem Bettler namens Lurg hatte sie erfahren, dass nach Einbruch der Dunkelheit nur noch eine Wache auf der Innenseite des Stadttors postiert war.
    Seit ihrer Flucht aus dem Hinterhof hatte sie versucht, Informationen über den Verbleib der Gefangenen und die allgemeine Vorgehensweise der Stadtwachen bei Verhaftungen zu bekommen. Leider musste sie feststellen, dass die Bewohner von Turmstein nicht nur äußerst unfreundlich, sondern auch sehr verschwiegen waren. Die Angst vor Ärger mit den Stadtwachen war erheblich größer als das Mitteilungsbedürfnis gegenüber Fremden.
    Und Cindiel fehlten einfach die Zeit und die Geduld, den Antworten hinterherzulaufen. Daher hatte sie sich entschlossen, ihr Problem direkt anzugehen. Wie es schien, stand das Problem direkt vor dem Nordtor. Der einzelne Soldat, der reglos das Tor bewachte, stützte sich auf seine Hellebarde. Sein zwar sorgfältig frisiertes, aber schütteres Haar und sein schlecht rasierter Bart legten den Verdacht nahe, dass er jenseits des Alters war, in dem ein Mann sich von jungen Mädchen becircen ließ. Cindiel setzte all ihre Hoffnungen auf den nächsten Wachwechsel. Zwei Stunden und drei plumpe Annäherungsversuche später war es endlich soweit. Der junge Wachmann war keine Schönheit, kein Vorbild an Pflichtbewusstsein und sicherlich auch kein Genie – er war genau der Richtige, und er besetzte die Hundewache zwischen ein Uhr nachts und vier Uhr in der Frühe.
    Cindiel wollte nicht noch einen Tag verlieren. Sie rückte das Dekolleté ihres neuen Kleides zurecht, das eine junge Frau am Nachmittag einen Moment zu lange aus den Augen gelassen hatte. Das Kleid hatte nicht genau Cindiels Größe, doch schließlich suchte sie nicht den Mann fürs Leben, sondern nur ein paar Informationen.
    Als Cindiel das holprige Kopfsteinpflaster vor der Goblinschmiede betrat, stellte sie fest, dass der Regen aufgehört hatte.
    Der Wachposten trottete vor dem Tor auf und ab. Cindiel verschwand unbemerkt in einem Hauseingang und bereitete einen Zauber vor. Leise murmelte sie die magische Formel und zeichnete eine Rune in die Luft. Dann drückte sie ihren Finger in einen kleinen Lederbeutel mit rotem Pulver. Nachdem sie sich versichert hatte, dass genug der Zauberingredienz daran haften geblieben war, schlich sie auf die Rückseite des Wachturms. Sie wartete, bis die Wache ihr den Rücken zugekehrt hatte, und pirschte sich an den jungen Soldaten heran. Als er sich umdrehte, stand er direkt vor Cindiel und starrte sie fassungslos an. Blitzschnell griff sie nach seinen Händen

Weitere Kostenlose Bücher