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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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und schaute ihm tief in die Augen.
    »Ich kann in Euer Innerstes blicken, Herr. Lasst mich Euch zeigen, was die Zukunft für Euch bereithält.«
    Unsicher erwiderte der Soldat ihren Blick.
    Cindiel nutzte die Überraschung des jungen Wachmanns und strich mit ihrem Finger, eine Rune nachzeichnend, über seinen Handrücken. Erschrocken zog der Mann seine Hand und musterte die junge Frau.
    »Mach, dass du wegkommst. Such dir jemand anderen, dem du deine billigen Tricks zeigen kannst«, polterte er los.
    Cindiel wich einen Schritt zurück. Anscheinend hatte sie den Zauber nicht rechtzeitig beenden können. Das aggressive Verhalten des jungen Mannes machte ihr nicht sonderlich viel Hoffnung, ihn allein durch ihre Anmut besänftigen zu können, geschweige denn, vertrauliche Informationen aus ihm herauszuholen.
    »Entschuldigt, Herr.«
    Cindiel war zwar verärgert über die harsche Reaktion des Wachmanns, wollte aber auch keine große Aufmerksamkeit auf sich lenken. Daher unterließ sie es, dem Rüpel einen Denkzettel zu verpassen.
    Sie hatte dem Soldaten gerade den Rücken zugekehrt, als dieser ihr nachrief: »Es heißt nicht Herr! Du kannst mich Jorge nennen.«
    Ein Lächeln huschte über Cindiels Gesicht, als sie sich umdrehte. Schnell war sie wieder bei dem jungen Mann und drängte ihn zur Seite, in den Schatten des breiten Wachturms. Mit einer Hand fasste sie seinen Unterarm, die andere legte sie auf seine Stirn. Dann sprach sie die Worte: »Veriatas orarec lucruma!«
    Dies war eine der Formeln, die sie aus dem Zauberfolianten ihrer Großmutter kannte. Der Zauber war im Grunde genommen sehr simpel, doch er hatte zur Voraussetzung, dass der Zaubernde das uneingeschränkte Vertrauen seines Gegenübers besaß.
    Ihr erster Zauber zwang den Bezauberten dazu, sie zu mögen, der zweite, ihr die Wahrheit zu sagen.
    »Hallo Jorge, frierst du gar nicht?«, begann sie zaghaft.
    »Nein.«
    Sein leicht dümmliches Grinsen und der verträumte Blick verrieten Cindiel, dass zumindest der erste Zauber Wirkung zeigte. Nun musste sie herausfinden, ob der Soldat auch die Wahrheit sprach.
    »Hast du eine Frau, Jorge?«
    »Nein, noch nicht«, antwortete er hoffnungsvoll.
    »Ist es nicht furchtbar einsam, jede Nacht das Stadttor zu bewachen? Alle anderen sind zu Hause bei ihren Frauen und Kindern, und du musst hier alleine ausharren.«
    Jorge schüttelte langsam den Kopf. Er stand völlig in Cindiels Bann.
    Die junge Frau drückte den Soldaten weiter in die Ecke.
    »Wie ich sehe, bist du Fähnrich. Das bedeutet, dass du nicht mehr lange am Stadttor zu stehen brauchst. Wahrscheinlich bekommst du schon bald deinen eigenen Trupp und wirst über die Landesgrenzen hinausgeschickt, um Turmstein zu dienen.«
    »Nein, das könnte ich nicht. Wer würde dann Meister Neggelt helfen?«
    »Wer ist Meister Neggelt?«, fragte Cindiel überrascht.
    Jorge deutete über ihre Schulter hinweg. Cindiel blickte sich um und sah ein kleines Backsteingebäude, dessen Schaufenster von einer Laterne erhellt wurde. Eine verblasste Holztafel zeigte das Bild eines Stiefels, und darunter stand: Meister Neggelt, Lederreparaturen aller Art .
    »Was soll das heißen?«, fragte Cindiel ungeduldig.
    Jorge schaute sich um, als sei er aus einem Traum erwacht. Er wollte ein Stück zurückweichen, bis er merkte, dass Cindiel ihn in die Ecke gedrängt hatte. Die Auswirkungen ihres Zaubers schienen verschwunden. Jorge blickte verlegen zu Boden.
    »Ich bin keine Stadtwache. Ich bin der Geselle von Meister Neggelt. Mir wurde bloß befohlen, hier Wache zu schieben. Gestern war mein erster Tag.«
    »Und wer hat dir das befohlen?«
    »Ich«, sagte eine Stimme hinter Cindiel. »Hofmagier Libriandus, gegenwärtig in Diensten des ehrenwerten Lord Sigurt, des zukünftigen Königs von Nelbor.«
    Cindiel wirbelte herum. Im Halbdunkel erkannte sie die Gestalt eines großen, hageren Mannes, der in eine dunkle Robe gekleidet war.
    »Gib dir keine Mühe«, ermahnte sie der Hofzauberer höflich. »Deine Hexenkünste sind meinen Fähigkeiten hoffnungslos unterlegen.«
    Cindiel wusste, dass der Hofmagier Recht hatte. Die Ausbildung am Hofe des Königs machte aus normalen Zauberern Magier, die sich mit den Elementarzaubern genauso auskannten wie mit der Magie der Veränderung, der Herbeirufung und jeder Form von Erkenntniszaubern.
    »Was wollt Ihr von mir?«, heuchelte Cindiel Ahnungslosigkeit.
    »Ich will, dass du zurück in die Goblinschmiede gehst und dort dem Wirt deine Arbeitskraft zur Verfügung

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