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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Die schmalen Wege waren fein säuberlich mit einem Kieselbett aufgefüllt worden, und links und rechts der Begrenzungen hatte man Sträucher und Pflanzen gesetzt, von denen Mogda die meisten noch nicht einmal vom Sehen her kannte. In regelmäßigen Abständen standen Marmorbüsten herum. Mogda fragte sich, wozu sich jemand ein Stück Natur in die Stadt holte, um es dann so entgegen der freien Wildbahn zu gestalten. Zwei von Mogdas Wachen waren durch die langen Stangen gezwungen, neben dem Weg zu laufen. Als der Oger merkte, wie unangenehm es ihnen war, durch die gepflegten Rabatten zu laufen, machte er sich einen Spaß daraus, ihr Ungemach noch zu vergrößern. Breitbeinig trampelte er über Blumen und Sträucher, trat kleine Steinfiguren um und bemühte sich erfolgreich, eine Schneise der Verwüstung zu hinterlassen. Sobald er ein lohnendes Ziel ausmachte, erhöhte er den Druck auf die Stangen, um die Wächter zu lenken.
    Als sie am Palast ankamen, drehte sich Mogda um und stellte mit Genugtuung fest, dass man seinen Spuren problemlos folgen konnte, auch ohne Fährtenleser zu sein.
    Der Palast selbst hatte die Ausmaße eines kleinen Bauerndorfes. Die drei Hauptgebäude liefen in der Mitte zusammen und teilten sich ein halbrundes Kuppeldach. Unzählige kleine Fenster und Nischen säumten die Außenfassade. Säulen, Wasserspeier und sonstige Verzierungen bestanden aus edelsten Materialien und waren von Künstlerhand gefertigt worden. Im Laufe der Jahrzehnte seiner Um- und Anbauten hatte der Palast seinen ursprünglichen Zweck als Regierungsgebäude verloren und war nun eine Ansammlung von Kostbarkeiten und Sammelsurien, die den Bewohnern offenbar gefielen. Im Inneren sah es ähnlich aus. Der gesamte auf Hochglanz polierte Fußboden bestand aus rotem Marmor. Die Wände waren bis zu vier Fuß Höhe mit demselben Material ausgekleidet. Zwischen kostbaren Vitrinen, Schränken aus Wurzelholz und mannshohen Vasen hingen reihenweise Gemälde einzelner Familienmitglieder aus der Dynastie der von Sigurts.
    Mogdas Verletzung war schmerzhaft, wenn auch nicht gefährlich. Das Fleisch der Oger heilte schnell, dennoch besaßen sie keine übernatürlichen Regenerationskräfte wie Trolle. Irgendwann musste sich Mogda um die Wunde kümmern. Bis es so weit war, versuchte er, so gut wie möglich sein Leid zu zeigen. Es war sicher besser, die Wachen in dem Glauben zu lassen, er sei schwer angeschlagen und leicht zu halten, falls er einen Fluchtversuch unternehmen sollte.
    Der breite Flur mit seinen bemalten Fenstern führte geradewegs auf ein Doppelportal zu. Die Schnitzereien auf den Türflügeln zeigten mehrere kreisförmig angeordnete Wappen und im Zentrum eine Schlachtszene. Mogda erkannte einen gigantischen Troll, der mit einer Breitaxt um sich schlug, während eine Reiterschar mit angelegten Lanzen auf ihn zustürmte. Das Bild sollte sicherlich Grind den Trollkönig darstellen, wie er vom Adel niedergestreckt wurde. Mogda war sich sicher, dass die hohen Herren nicht einmal in der Nähe gewesen waren, als Grind starb. Leider blieben manchmal selbst die schlechtesten Kunstwerke länger erhalten als die Erinnerung an die Wahrheit.
    Bevor Wachen und Gefangene den Saal betraten, hielten sie einen Moment vor dem Portal inne. Die Soldaten richteten ihre Kleidung und überprüften den Gurt um Mogdas Hals. Finnegan und Barrasch stellten anscheinend keine Gefahr dar, da sie unbewaffnet waren. Man verzichtete darauf, ihnen Hand- oder Fußfesseln anzulegen.
    Der Saal, den sie anschließend betraten, wirkte zum Großteil ungenutzt. Die lange, kahle Fensterfront bot einen Blick auf den Park. An der gegenüberliegenden Seite reihten sich weitere Gemälde der Ahnengalerie. Auf einem der letzten Bilder glaubte Mogda den alten Lord Sigurt zu erkennen. Der lange rote Teppich führte sie durch den fast leeren Saal, an dessen Ende ein dunkler Thron aus Wurzelholz stand.
    Der Herrschersitz, obwohl so ziemlich das einzige Möbelstück des Raums, wirkte irgendwie deplatziert. Das fast schwarze Holz einer Mooreiche war auf Hochglanz poliert. Die Polsterung bestand aus kostbaren, kunstvoll drapierten Fellen. Das ganze Gebilde war an die sieben Fuß hoch und breiter als ein Kutschbock. Der Thron schien wie geschaffen für den König eines Barbarenstammes. Für einen großen, hünenhaften, mit Muskeln bepackten Mann, der sich, in Wolfsfelle gehüllt, auf sein Zweihänderschwert aus Bronze stützt.
    Diese Vorstellung wurde jäh zerstört durch den Anblick von

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