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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Kruzmak die Augen und lauschte dem Flug der Axt. Er hörte, wie die kreisende Bewegung der Klinge die Luft zerteilte. Er presste die Lider fest zusammen und betete zu Tabal. Mit einem schmatzenden Geräusch bohrte sich die Waffe in den Boden. Kruzmak blickte auf und sah den Schaft seiner Axt am gegenüberliegenden Ufer keine zwei Schritt vom Wasser entfernt aus dem Boden ragen.
    Jetzt musste nur er es noch schaffen, auf die andere Seite zu kommen. Vorsichtig tastete er sich Schritt für Schritt in den roten Fluss. Die Böschung war steil, und schon nach den ersten Metern versank Kruzmak bis zur Brust. Zum Schutz hob er die Arme über den Kopf. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, das die Strömung nur schwach und der Untergrund verhältnismäßig fest war. Den Blick starr auf seine Waffe gerichtet, watete er weiter.
    Schließlich hatte er die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Das Wasser stand ihm bis zum hochgereckten Kinn. In ihm machte sich ein Gefühl der Erleichterung breit. Er hatte es bis zur Mitte geschafft, was konnte also noch passieren? Der nächste Schritt brachte die Antwort. Unerwartet sackte Kruzmak weg. Seine Hände ragten gerade noch einen Fuß über die Wasseroberfläche hinaus und versuchten, nach etwas zu greifen, das nicht da war. Langsam und beharrlich steuerten die beiden Hände weiter auf das rettende Ufer zu. Immer hektischer wurden die Greifbewegungen. Luftblasen stiegen zwischen ihnen auf und zerplatzten ebenso wie die Hoffnung, doch noch einen Halt zu finden. Dann versanken auch die beiden Hände in den roten Fluten, und es sah aus, als schauten sie einander an, bevor sie verschwanden.
    Eine Kolonne kleiner Luftblasen bahnte sich den Weg nach oben. Kruzmaks Schädel stieß aus der Tiefe hervor. Der Oger spuckte Wasser, hustete und rang nach Luft. Mit letzter Kraft ruderte er vorwärts und bekam wieder Boden unter die Füße. Völlig erschöpft erreichte er das andere Ufer. Neben seiner Axt brach er zusammen und würgte die Reste des Salzwassers aus seinen Lungen.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Kruzmak von den Hustenanfällen erholt hatte. Trotz seines Keuchens vernahm er ein leises Stöhnen. Blitzschnell ruhte die Hand auf seiner Waffe, und er rollte sich herum. Sein Blick fiel auf den umgestürzten Wagen mit seiner tonnenschweren Ladung. Unter dem Steinblock ragte der Oberkörper eines Ogers hervor. Sein Kopf bewegte sich im feuchten Sand hin und her.
    Immer noch erschöpft, robbte Kruzmak zu ihm hinüber. Ein Blick in das Gesicht des Ogers zeigte ihm, dass er hier schon seit längerer Zeit liegen musste. Wahrscheinlich war der Trupp genauso von der Flutwelle überrascht worden wie Kruzmak und die anderen. Der andere Oger stand kurz davor, zu verhungern oder zu verdursten. Seine Haut war von der ewigen Sonne und dem Salz rissig geworden, und die Augen waren zugeschwollen. Verärgert über sich selbst, blickte Kruzmak auf das zurückgelassene Proviantpaket am anderen Ufer.
    Jedoch wusste er sich zu helfen. Man hatte ihm beigebracht, auch in aussichtslosen Situationen am Leben zu bleiben und anderen zu helfen. Ohne zu zögern stellte er die Klinge der Streitaxt auf und zog seinen Handballen über die Schneide. Aus der tiefen Wunde unterhalb des Daumens quoll sofort Blut, das sich in seiner Handfläche sammelte. Er ballte die Hand zur Faust und ließ die zähe rote Flüssigkeit zwischen seinen Fingern hindurch auf die Lippen des bewusstlosen Ogers vor ihm tröpfeln. Nach und nach benetzte der Lebenssaft die ausgetrocknete Mundhöhle und rann die Kehle hinunter.
    Es dauerte eine kleine Ewigkeit, dann bemerkte Kruzmak endlich leichte Schluckbewegungen bei dem Oger. Dessen Kopf neigte sich zur Seite, und hinter den geschlossenen Lidern sah Kruzmak, wie die Augen hin und her wanderten. Einen weiteren Tag in der brütenden Sonne hätte der Oger nicht überlebet. Doch auch so stand es schlecht um ihn. Kruzmak musste ihn von hier wegbringen. Mit etwas Glück würden sie es schaffen, in der Nacht so weit zu kommen, dass Kruzmak am nächsten Morgen Hilfe aus dem Drachenhorst holen konnte. Zuerst musste es ihm jedoch gelingen, seinen Kameraden von der Last des Steinblocks zu befreien. Mit bloßen Händen versuchte Kruzmak, den Körper freizuschaufeln, doch der lose Sand rutschte immer wieder nach.
    Er nahm die Axt und begann, den umgestürzten Wagen zu zerlegen. Mehrere kräftige Planken legte er beiseite, den Rest warf er auf einen Haufen. Dann rammte er zwei Balken tief in den Sand, und

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