Der Rubin der Oger
Rücken voran auf die Kante der Marmorblöcke. Das Geräusch des berstenden Rückgrats war bis in die obersten Ränge zu hören. Pein blieb leblos auf dem Stein liegen.
Brosius brüllte wie ein verwundetes Tier. Verzweifelt schwang er die Kette an zwei Enden, einem langen und einem kurzen. Mogda sah, dass seinen Gegner jede Bewegung schmerzte. Brosius konnte seine Waffe nicht mehr mit voller Kraft führen. Der Oger sprang vor. Eine Kugel traf ihn kurz unterhalb der Kehle und ritzte seine Brust auf. Die Kette begann zu schlingern. Mogda riss seinen Arm hoch, wickelte sich die Glieder um den Arm und zog. Brosius stolperte auf ihn zu und wurde erst von dem emporschnellenden Ellenbogen seines Gegners gebremst. Mogda hob den blank polierten Stachel unter seinem Arm und rammte ihn dem Gladiator von oben in den Schädel. Brosius sackte tot zusammen.
Für einen kurzen Moment war es totenstill in der Arena. Dann begannen die ersten Zuschauer zu klatschen.
Mogda bemerkte eine Schar von Seeleuten und eine kleine Gruppe Zwerge im unteren Teil der Ränge, die wiederholt etwas riefen. Zuerst verstand er nicht, was es war, doch dann wurde es deutlicher und erfüllte bald die ganze Arena.
»Mogda!«
Ihm selbst blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern, denn er sah, wie sich Bogenschützen hinter der Steinmauer bereit machten. Dann ertönte eine Fanfare, und das eiserne Gitter, aus dem Mogda kurz zuvor gekommen war, öffnete sich.
Dem Oger war klar: Diesmal würden sie alles schicken, was sie hatten, um ihm den Garaus zu machen. Er durfte nicht hierbleiben. Die Bogenschützen würden wenig Rücksicht auf Finnegan und Barrasch nehmen, wenn sie einen Pfeilhagel auf ihn niederregnen ließen. Außerdem wollte er den nächsten Gegnern keine Gelegenheit geben, ihn einzukreisen. Mogda rannte auf das offen stehende Tor zu. Dort würden ihm höchstens zwei oder drei Gegner gegenüberstehen. Während er den Platz überquerte, sah er, wie die Soldaten ihre Bögen spannten.
Die Bürger Turmsteins waren außer sich. Sie drängten von den Tribünen hinunter zu den vordersten Plätzen und jubelten dem Oger zu. Die Bogenschützen, die auf den Schussbefehl warteten, wurden gegen die Balustrade gedrückt.
Mogda hatte den Platz fast überquert, als ihm ein einzelner Bronzehelm mit eingedrücktem Nasenschutz entgegenrollte. Der Oger blieb wenige Meter vor dem Gitter stehen und machte sich bereit. Doch kein Kampfgeschrei, kein Gladiator und auch kein Ansturm erwartete ihn. Stattdessen stolperte ihm jener Mann aus dem Kerker entgegen, den er als Meister kannte. Er zitterte am ganzen Leib. Brust und Beine waren blutverschmiert, doch soweit Mogda erkennen konnte, stammte das Blut nicht von ihm selbst. Meister blieb genau vor Mogda stehen und sah dem Oger in die Augen.
»Du?«, keuchte er. »Der Zorn der Götter soll dich treffen.«
Mogda blies ihm ins Gesicht.
»Der Zorn der Götter hat mich bereits getroffen, als ich den Menschen das erste Mal vertraute. Euer Volk ist es nicht wert, sich mit ihm zu verbünden. Ihr seid machtbesessen, und euch ist jede schmutzige Intrige recht, um das zu erlangen, was ihr haben wollt.«
Meister schien überhaupt nicht zugehört zu haben.
»Und, was willst du jetzt machen, Scheusal?«, fragte er.
»Ich?«, grollte Mogda. »Ich wollte mich für das stumpfe Schwert bedanken. Menschen wie dich zu töten hat mir nie etwas ausgemacht. Doch es bereitete mir auch keine Freude, weil mir euer Tod zu leicht erschien.«
Der Oger stieß dem Kerkermeister das Runenschwert in die Brust. Er hörte das schabende Geräusch, als das Metall entlang der Wirbelsäule am Rücken wieder austrat. Meister riss die Augen weit auf und starrte Mogda ungläubig an.
»Eine stumpfe Waffe ist schmerzhafter«, sagte der Oger.
Er stellte dem Toten einen Fuß auf die Brust und zog sein Schwert heraus. Dann verschwand er im Tunnel der Gladiatoren.
42
Ein guter Plan
Cindiel stand wie erstarrt da und konnte den Blick einfach nicht abwenden. Es war nur ein Dutzend Herzschläge her, seit Mogda den dunklen Tunnel betreten hatte. Die junge Frau erschauderte bei der Vorstellung, jeden Moment eine Horde barbarischer Kämpfer mit blutverschmierten Waffen und dem toten Mogda aus dem Gewölbe kommen zu sehen. Und sie hatte Angst, Barrasch und Finnegan in ein schmachvolles Ende zu begleiten. Finnegan war noch so jung, er hatte sein ganzes Leben noch vor sich – sie beide hatten noch ihr ganzes Leben vor sich ...
Cindiel fegte ihre Ängste beiseite.
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