Der Rubin der Oger
der Dunkelheit geschluckt, doch die Gewissheit blieb, dass da vorne ein feindliches Heer lagerte. Was das bedeutete, stand außer Frage.
»Turmstein wird belagert«, sagte Mogda. »Wir müssen zurück in die Festung.«
44
Die Belagerung
Zwei Tage war es her, dass sich Mogda und die anderen wieder in die Tunnel zurückgezogen hatten, die den Kerker und die Gladiatorenunterkünfte mit der Arena verbanden. Libriandus, der immer noch im Körper von Lord Sigurt steckte, war in den Palast zurückgekehrt und traf Vorkehrungen, um den bevorstehenden Ansturm der Elfen abzuwehren. Bis jetzt hatte sich niemand über den Sinneswandel des Herrschers gewundert, oder man war zu feige, ihn darauf anzusprechen.
Mogda hatte beschlossen, die beiden Elfen in den Kerker zurückbringen zu lassen. Für sie war es dort am sichersten. Mogda wollte vermeiden, dass die Fehde zwischen Zwergen und Elfen neu entbrannte oder jemand die beiden aus Angst vor dem Heer der dunklen Elfen angriff. Noch immer hatten die Elfen das Versteck des Funken nicht preisgegeben. Mogda wollte keinen Druck auf sie ausüben, schließlich hatten sie das gleiche Ziel. Außerdem war der Ort umso sicherer, je weniger Personen ihn kannten.
Libriandus hatte Hauptmann Losan angewiesen, drei Mal täglich einen Trupp Wachen zu den Ogern zu senden, die sie mit Proviant und Informationen über die Belagerung versorgten. Sowohl das Essen als auch die Nachrichten fielen in Mogdas Augen sehr spärlich aus. Es war schon schlimm genug, dass das Essen auf Grund der Belagerung rationiert wurde, doch noch mehr störte Mogda, dass das beste Fleisch niemals den Weg zu ihnen fand. Somit begnügten sie sich damit, an Knochen herumzunagen, die vermutlich nur zufällig der Größe von Haustieren entsprachen.
»Solange mich noch das Gekläffe der Hunde nachts wach hält, mache ich mir keine Sorgen«, hatte Dranosil lachend am Lagerfeuer gesagt. Am nächsten Morgen war das Bellen verstummt, und bis jetzt hatte es nicht wieder angefangen.
Die Wachen achteten darauf, den Lagerplatz der Oger möglichst schnell wieder verlassen zu können. Meist erledigten sie ihren Bericht mit den Worten »Keinerlei Veränderungen!« und verschwanden.
Dass Rator sie einmal mit den Worten »Oh, lecker, Stadtwachen!« begrüßt hatte, hatte das Verhältnis nicht unbedingt verbessert.
Die Zwerge waren so grimmig wie eh und je. Ihre üble Laune schlug auch den Ogern aufs Gemüt. Nur den Menschen, zum Großteil Seeleute von Kapitän Morrodak, war keine schlechte Stimmung anzumerken. Solange ihr Vorrat an Alkohol nicht zur Neige ging, feierten und sangen sie in fröhlicher Runde. Sie waren es gewohnt, über längere Zeit eingesperrt zu sein.
Allein der Barbarenkrieger Wulbart beteiligte sich nicht an den Gelagen. Er hatte seit einem Tag kein einziges Wort mehr gesagt, saß nur da und starrte in die Flammen. Finnegan und Barrasch waren wieder auf den Beinen. Der junge Soldat hatte sich schnell erholt und nutzte jeden Moment, um mit Cindiel herumzuturteln. Barrasch dagegen litt immer noch unter starken Schmerzen. Nachts lag er meistens wach und schien dem Verlust seiner Hand nachzutrauern. Mogda hoffte, dass er sich angesichts des bevorstehenden Kampfes wieder fangen würde.
Was die Belagerung durch die Elfen betraf, wusste Mogda nur, dass diese sich auf eine Meile bis zum Waldrand zurückgezogen hatten. Wie viele es waren, konnte man nur schätzen, doch es mussten Abertausende sein.
Hauptmann Losan hatte dem Feind gezeigt, wie weit man sich Turmsteins Mauern nähern konnte, bevor man die Langbogenschützen auf den Wällen fürchten musste. Selbst die schweren Katapulte hatte er abfeuern lassen, um die Stärke der Stadt zu demonstrieren. Damit hatte er lediglich erreicht, dass die Elfen jetzt wussten, wo sie sich gefahrlos formieren konnten.
Was die Elfen vorhatten, und wie sie sich ein Eindringen in die Stadt vorstellten, blieb im Dunkeln. Nach Aussage der Wachen trafen sie keinerlei Vorkehrungen zum Bau von Belagerungsmaschinen, Türmen oder Leitern zum Erklimmen der Stadtmauer. Mogda wusste jedoch, dass sie nicht dumm genug waren, einen Frontalangriff auf die Stadt zu wagen, ohne einen Plan zu haben.
Rators anfängliche Freude, dem Feind doch noch gegenübertreten zu können, verging von Stunde zu Stunde mehr. Er hatte sich ausgemalt, das Heer der Elfen unter der Führung des Wanderers anzutreffen. Doch je mehr Zeit verging, desto deutlicher wurde, dass der Mann ohne Schuhe nicht auftauchen
Weitere Kostenlose Bücher