Der Rubin der Oger
einhalten? Wir haben nichts dergleichen abgemacht. Wir sagen, was wir wollen, und ihr gebt es uns. Entweder einigen wir uns so, oder Rator wird die Verhandlungen weiterführen.«
Libriandus drehte sich zu den Wachen um und gebot ihnen, die Waffen zu senken.
»Bringt die Elfen«, wies er zwei von ihnen an, die eilig in dem dunklen Gang verschwanden.
»Ihr solltet nur wissen, dass ich in diesem Körper keine Magie wirken kann«, gab Libriandus zu bedenken.
»Macht Euch nichts draus«, erwiderte Mogda lakonisch. »Kann ich in diesem Körper auch nicht. Momentan haben wir auch gar keine Zeit, eure kleinen Zaubertricks zu bewundern. Wir wollen einfach nur durch diesen Tunnel und dann raus aus der Stadt. Ich glaube, das schaffen wir sogar ohne Magie. Hinein sind wir ja auch ohne Zauberei gekommen.«
Mogda konnte in dem Gesicht des Zauberers lesen, dass ihm die Antwort nicht gefiel. Sicherlich wäre es Libriandus lieber gewesen, über ein Druckmittel zu verfügen, doch alles, was er anbieten konnte, waren die beiden Gefangenen, die gerade von den Wachen in den Kreuzgang geführt wurden.
Die beiden Elfen, ein junger Mann und eine junge Frau, machten einen erschöpften Eindruck. Ihr langes blondes Haar war schmutzig und verfilzt. Die zerrissene Kleidung und ihre verdreckten Gesichter ließen nur wenig von der Anmut erahnen, die ihrem Volk sonst zu eigen war.
Sie verneigten sich tief vor Mogda.
»Geht es euch gut?«, erkundigte sich der Oger mit ungewohnt sanfter Stimme.
»Danke!«, war die spärliche Antwort der Elfin, die beim Sprechen die Augen geschlossen hielt.
»Seid ihr nur zu zweit?«
»Ja, nur ich und mein Bruder. Wir sind die Letzten derer, die sich dem Schutz des Funken der Götter verschrieben haben. Alle anderen sind am Ende ihres Weges angelangt und nun Teil des Ganzen. Sie sind bereit, sich dem Licht zu stellen.«
Mogda hatte sich nie mit dem Glauben der Elfen beschäftigt, doch die Worte und der Ausdruck tiefen Schmerzes im Gesicht der Elfin ließen wenig Zweifel daran, dass alle anderen Wächter tot waren.
»Der Funke, den ihr bewacht habt, ist er in Sicherheit?«, fragte Cindiel aufgeregt.
»Einst war es die Aufgabe der schwarzen Drachen, den Samen der Magie, den Funken Timuleès zu bewachen, doch vor langer Zeit hat das Volk der Elfen ihnen diese Bürde abgenommen. Als unsere Brüder und Schwestern Nelbor verließen, blieben wir zurück, um den Stein im Inneren des Baumes Mystraloon weiter zu schützen. Jetzt sind wir auf der Suche nach einem Platz für den Funken, der das Gleichgewicht wieder herstellt.«
»Die schwarzen Drachen haben uns hergeführt«, erwiderte Mogda.
»Ja, sie spürten, dass ihr Erbe in Gefahr ist. Genauso, wie ihre roten Brüder damals spürten, dass es an der Zeit war, ihre Last den Ogern zu übergeben und diesen die Verantwortung für den Samen der Natur zu überlassen.«
Mogda war verblüfft, wie weitreichend das Wissen einer Gruppe Elfen zu sein schien, die sich über Jahrzehnte hinweg hinter einem Baum versteckt hatte. Zugleich war es ihm unangenehm, ihnen sagen zu müssen, dass ihre Sicht der Dinge ein wenig verschroben war. Dennoch wollte er das Vertrauen der Elfen nicht mit einer Lüge gewinnen.
»Die roten Drachen hatten sich niemanden für ihre Nachfolge ausgesucht. Vielmehr war es so, dass wir sie im Schlaf überwältigt und getötet haben. Das alles geschah nur, um ein Lager zu haben, von dem aus wir unseren Krieg führen konnten.«
Die Elfin lächelte.
»Es gehört Mut dazu, sein schlechtes Gewissen zu erleichtern, und es gehört Vermessenheit dazu, an Euer Geschick in dieser Sache zu glauben.«
Mogda war irritiert. Glaubte diese Elfin wirklich, die Drachen hätten sich freiwillig geopfert? War sie der Meinung, dies alles wäre seit langer Zeit vorausbestimmt und von den Göttern so geplant gewesen? Er tat den ungeheuerlichen Gedanken damit ab, dass sie wohl nur versuchte, seine Vorwürfe gegen sich und sein Volk zu schmälern.
»Wenn Ihr den Stein besitzt, sollten wir uns endlich auf den Weg machen und jenen Ort aufsuchen, wo er das Gleichgewicht wiederherstellt, wie Ihr sagt.«
»Wir sind bereit«, entgegnete die Elfin.
Barrasch und Finnegan sollten von Gnunt und Tastmar getragen werden. Cindiel hatte die beiden Menschen in tiefen Schlaf versetzt, damit sie sich erholen konnten. Für den weiteren Weg, egal wohin er sie führen sollte, würden sie ihre Kräfte brauchen. Die beiden Menschen zurückzulassen stand für Cindiel und Mogda außer Frage.
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