Der Rubin der Oger
zuzustürmen und mit dem Schwert auf ihn einzudreschen, aber die Gewalt über seinen Körper besaß ein anderer. Er war gefangen, dazu verdammt, alles über sich ergehen zu lassen.
Elliah zuckte zusammen. Er schaute in Mogdas Richtung, doch er schien ihn nicht wahrzunehmen. Suchend wanderte sein Blick das Ufer entlang, zwischen den Büschen hindurch und weiter in den Wald hinein. Eine Bewegung im Dickicht ließ ihn erstarren. Auch Mogda spürte die Anwesenheit eines dritten Wesens. Wie ein Geist trat der dunkle Elf aus dem Busch hervor. Keine zwei Fuß von Mogda entfernt schritt der ehemalige Waldbewohner an ihm vorbei. Mit ausgestreckten Armen trug er einen offenen Lederbeutel vor sich her, in dem pulsierend einer der Funken der Götter lag. Der rhombenförmige grüne Kristall schien von innen her zu leuchten. Er war zum Greifen nahe, und doch war er unendlich weit entfernt für den Oger.
Zielstrebig durchquerte der Elf den hüfttiefen Weiher und trug das göttliche Artefakt seinem Herrn entgegen. Elliah hatte sich erhoben und empfing das Geschenk mit offenen Armen.
Mogda war der Verzweiflung nahe. Er hätte schreien können, doch nichts konnte die Vision aufhalten. Unaufhaltsam rückte das Ende der Welt näher.
»Wie ich sehe, kann ich stolz auf meine Kinder sein«, sagte Elliah, als er den Elfen begrüßte. »Gib mir den Stein! Alles, wofür wir all die Jahre gekämpft haben, wird sich in wenigen Momenten erfüllen. Ihr, meine Kinder, werdet unter meiner Herrschaft die Welt regieren. Ich bin stolz auf dich, mein Sohn. Gib mir den Stein!«
Der Elf war stehen geblieben. Weniger als fünf Schritte vor Elliah stand er im Wasser und verharrte dort.
»Was ist los mit dir?«, fauchte sein Herr. »Meine Geduld ist am Ende. Ich habe es satt, warten zu müssen. Gib ihn mir, und dann kehre zurück zu den anderen ins Meer. Wenn die Welt sich neu geformt hat, werde ich euch holen.«
Der Elf klappte das lederne Tuch zwischen seinen Händen zusammen und machte einen Schritt rückwärts.
»Ihr gabt uns ein Versprechen«, zischte er mit heiserer Stimme. »Ich fordere meine Belohnung.«
»Deine Belohnung?«, krächzte Elliah. »Wo ist dein Meister? Er soll dir Manieren beibringen.«
»Mein Meister starb in diesem Gewässer durch Eure Hand. Habt Ihr das vergessen?«
»Aha, so stehen die Dinge also«, murmelte Elliah. »Und – was hast du dir als Belohnung gedacht?«
Der Elf verneigte sich vor seinem Herrn so tief, dass sein Haar das Wasser berührte. Dann streckte er ihm das Bündel entgegen.
»Wenn die Welt Euch zu Füßen liegt, möchte ich nicht mehr eines Eurer Kinder sein.«
»Was denn dann?«, fragte Elliah verwundert.
»Ich möchte Euer Bruder sein und an Eurer Seite herrschen. Das Volk der Elfen soll mir zu Füßen liegen. So, wie der Tod der Götter Euch verändert, soll er auch mich verändern.«
Elliah lächelte beruhigt, als sei allein die Bitte des Elfen schon ihre Erfüllung.
»Es ist erstaunlich, wie aus einem Sklaven ein Prinz werden kann, wenn man seine Ketten öffnet. Nun gut, dann bleibe bei mir und sei mein Zeuge bei der Erschaffung einer neuen Welt.«
»Ich bin Cynthell a Diin, dein Bruder!«, forderte der Elf.
»Was immer du sagst.«
Der Mann ohne Schuhe nahm den Stein in Empfang. Demütig kniete Cynthell vor dem Baum Mystraloon nieder und senkte den Kopf. Elliah wickelte den Funken der Götter eilig aus dem Lederbeutel. Siegessicher reckte er ihn gen Himmel.
»Seht ihn euch an, Ihr Götter! Dies ist die Macht, auf die Ihr Euch gründet. Ein Kristall, so zerbrechlich wie Eure Religion. Doch die Welt, die ich erschaffen werde, währt ewig.«
Mogda wurde von dem funkelnden Kristall angezogen wie eine Motte vom Licht. Im Nu stand er neben Elliah und streckte seine Hand nach dem Artefakt aus. Nur war es nicht seine Hand, sondern die eines Fremden. Die Finger glichen denen eines Trolls, waren aber knochig wie die Krallen eines Drachen. Die Hand schnellte vor, doch anstatt den Stein zu greifen, spreizten sich die Finger und pressten den stahlharten Fingernagel gegen den Kristall. Mit einem kaum hörbaren Knacken durchzog ein Riss den Edelstein. Im nächsten Moment stand Mogda wieder auf der anderen Seite des Weihers und beobachtete Elliah, der nichts bemerkt zu haben schien.
»Ihr Götter, haltet den Atem an!«, rief der Mann ohne Schuhe. »Ab sofort seid Ihr eine aussterbende Rasse. Ihr habt Euren Meister gefunden.«
Mit diesen Worten schritt Elliah zum Baum Mystraloon und versenkte den
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