Der Rubin der Oger
Stimme des Magiers ihm erzählte. Die Brut Tabals war eine eingeschworene Sippe, oder war es jedenfalls gewesen, bis sich die Oger gegen den Rest gestellt hatten. Trolle, Orks, Goblins und Oger waren nach seinem Ebenbild erschaffen. Jeder von ihnen stellte einen Teil Tabals dar. Aber Drachen waren gottlos, sie hatten keinen Schöpfer. Sie waren Dämonen mit Flügeln, denen es verwehrt war, an der Tafel der Götter zu sitzen, deshalb suchten sie ihre Rache in der Welt der Sterblichen.
»Wir haben keinen gemeinsamen Gott«, brüllte Mogda. »Mein Gott ist Tabal. Du bist nur eine Echse mit Flügeln.«
»Dein Gott ist Tabal«, gurgelte es aus Libriandus’ Kehle. »Wir nennen ihn Toqual. Aber egal, welchen Namen man ihm gibt, er ist der Herr des Chaos.«
Mogda war außer sich vor Wut, und nur der Gedanke daran, dass es nicht die Worte des Magiers selbst waren, retteten diesen davor, von der Faust eines Ogers zerquetscht zu werden. » Herr des Chaos nennen ihn nur die Menschen«, zischte Mogda, »weil sie Angst vor seiner Macht haben. Denn das Chaos ist etwas Schlechtes, und damit wollen sie Tabal und seine Brut beleidigen.«
»Chaos ist nichts Schlechtes«, sagte die Stimme des Drachen. »Es ist der Ausgleich zur Ordnung. So, wie die vier Elemente einander brauchen, so bedingen sich auch Chaos und Ordnung, um existieren zu können. Chaos bedeutet, vom vorhersehbaren Weg abzuweichen. Veränderung ist Chaos, und nur durch sie konnten sich die Oger aus der Sklaverei befreien. Und was dein Runenschwert betrifft, es hat denselben Ursprung. Also nutze es; aber nicht nur auf dem vorherbestimmten Weg einer Waffe.«
Mogda wusste genau, was der Drache wollte. Das Schwert sollte ihm wieder eine Vision zeigen, wie vor Jahren am Drachenhorst. Damals hatte er sich in einem Feuerball sterben sehen, und nur durch eine List war es ihm gelungen, die Vision aufrechtzuerhalten und trotzdem am Leben zu bleiben. Einen weiteren Blick in seine Zukunft wollte er sich eigentlich ersparen. Allein die Tatsache, dass mit dem Verlust des Steins das Ende der Welt prophezeit wurde, und dass der Drache es vielleicht vorziehen würde, mit vollem Magen zu sterben, stimmte Mogda um.
Er zog das Schwert aus der Scheide und fuhr mit den Fingern über die Klinge. Langsam ertastete er die in den Stahl eingravierten Runen. Dann setzte er die Spitze auf den Boden und rammte sie zwei Fuß tief in die Erde. Noch bevor er sich hingekniet hatte, wich die Dunkelheit einem grünen Blättermeer.
Mogda glitt langsam durch das Unterholz. Sein Körper spürte die Berührung der Äste und Dornen nicht. Wie schwebend bewegte er sich über Mulden und Wälle hinweg. Baumstämme hüllten ihn beim Hindurchschreiten kurz in grünbraunen Nebel und verschwanden danach. Die Geräusche des Waldes waren nur entfernt zu hören, und der Geruch des Waldbodens hatte etwas Metallisches. Das Tempo, mit dem er sich durch den Wald bewegte, war anfangs so schnell wie der Flug auf einem Drachen, doch je weiter er in den Wald eindrang, desto langsamer wurde er. Bei den letzten Schritten kam er so langsam voran, dass Mogda sich wie gelähmt fühlte. Stück für Stück tauchte er in das Blätterdickicht eines Busches ein. Deutlich zeichneten sich die Adern auf dem Laub ab. Mogda konnte sehen, wie das Leben durch die Rispen floss. Als die Blätter schwanden, trat er auf eine schmale Lichtung, in dessen Zentrum ein flacher Weiher lag. Am anderen Ufer stand ein Baum, so alt und zerfurcht, dass man hätte meinen können, er stünde hier seit dem Anbeginn aller Tage.
Die Umgebung war Mogda fremd, doch der seltsame, uralte Baum mit dem mehrfach verdrehten Stamm inmitten seiner hoch aufragenden Artgenossen ließ nur einen Schluss zu: Er war im Elfenwald angekommen, und bei dem Baum handelte es sich um Mystraloon.
Erst als die Gestalt sich bewegte, die zwischen den freiliegenden knorrigen Wurzeln des Baumes kauerte, nahm Mogda sie wahr. Der junge Mann hatte sich in ein Leinengewand gehüllt und ließ eine Hand langsam ins Wasser gleiten. Als befürchte er, die Oberfläche des Weihers könne zersplittern wie ein Spiegel, tastete der Mann mit seinen Fingern behutsam nach den sich kreisförmig bildenden Ringen.
Der Mann war Mogda fremd. Doch die Schlichtheit seiner Kleidung und das fehlende Schuhwerk sowie die fühlbare Bedrohung, die von dem Fremden ausging, sagte ihm, was er wissen musste: Es war der Wanderer; oder Elliah, wie er sich selbst nannte.
Mogda spürte das Bedürfnis, auf ihn
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