Der Rubin der Oger
Stelle. In zwei Gruppen stürmten sie auf das Stadttor von Sandleg zu. Lord Felton führte die Reiterei an, dahinter folgte Leutnant Tossil mit vierzig Fußsoldaten.
Die Soldaten am Osttor hatten ihre Stellung schon verlassen und waren ihren Kameraden im Stadtinneren zu Hilfe geeilt. In vollem Galopp stürmten Lord Felton und seine Männer durch das Tor.
Auf den Straßen herrschte heilloses Durcheinander. Eltern suchten nach ihren Kindern, Frauen nach ihren Männern, einige versuchten, sich so weit wie möglich vom Hafenviertel zu entfernen, andere hatten sich bewaffnet und eilten dem Kampf entgegen. Lord Felton riss sein Pferd gerade noch rechtzeitig herum, um einem kleinen Jungen auszuweichen, der weinend auf der Straße hockte. Sein Pferd scheute, stieg hoch und traf mit den Vorderhufen einen Mann, der orientierungslos umherlief. Der Fremde ging zu Boden, rappelte sich aber sofort wieder auf und flüchtete in einen Hauseingang. Felton wendete sein Pferd auf der Stelle, um das Tier zu beruhigen, und warf noch einen Blick auf den Mann, der sich an das Vordach einer Veranda klammerte. Erst jetzt fielen ihm die starken Verbrennungen im Gesicht des Fremden auf. Die rötlich geschwollenen Striemen wiesen das Muster eines Netzes auf. Felton spornte sein Pferd an, um den anderen Reitern zu folgen, die schon auf dem Weg zum Hafen waren, als Tossil mit seinen Männern durch das Tor gerannt kam.
»Sorgt dafür, dass die Leute die Straßen verlassen! Und schickt Bogenschützen auf die Dächer!«, rief er dem Leutnant zu, dann galoppierte er los.
Auf halber Strecke sah er die ersten reglosen Menschen am Straßenrand liegen. Sie wiesen keine Verletzungen auf, und nirgends war Blut zu erkennen. Felton beschloss, die Bürger sich selbst zu überlassen. Für ihn galt es, den Feind zu bekämpfen. Fünfzig Schritt vor ihm standen drei dieser angeblichen Elfen auf der Straße und verfolgten die flüchtenden Menschen mit Blasrohren. Niemand hinderte sie daran, und jeder, der sich auch nur in ihre Richtung drehte, wurde mit der fremdartigen Waffe attackiert. Nach wenigen Schritten brachen die Getroffenen zusammen. Felton lenkte sein Pferd genau in die Dreiergruppe.
Sofort richteten sich die Attacken gegen ihn. Zwei Salven kleiner spitzer Pfeile trafen den Brustkorb des Pferdes, bevor Felton die Feinde erreichte. Er trieb seine Stute mitten durch sie hindurch, doch die Elfen wichen kein Stück zurück.
Felton teilte im Vorbeireiten rasche Schläge nach links und rechts aus und wendete sein Ross, um seine Gegner erneut anzugreifen. Ein Elfenumhang hatte sich im Zaumzeug des Pferdes verfangen und wurde seinem Träger vom Leib gerissen. Zum ersten Mal sah Lord Felton, mit wem er es wirklich zu tun hatte. Es waren tatsächlich Elfen, aber die Betonung lag auf waren . Der mittlere Elf, der zwischen Streitross und Straße geraten war, stand völlig unbekleidet vor ihm. Die zierliche Gestalt, die spitzen Ohren und die feinen Gesichtszüge waren eindeutig elfischer Natur. Aber ansonsten hatte das Wesen nichts gemein mit dem anmutigen Volk aus den Wäldern. Die Haut und das Haar waren grünlichschwarz, und zwischen den Fingern hatte es Schwimmhäute. Die Augen waren milchig trüb, und ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, war schwer zu sagen, da es keines der unverkennbaren Merkmale aufwies.
Der dunkle Elf keuchte, und seitlich hinter seinen Wangenknochen konnte Felton Kiemen sehen, die sich aufgestellt hatten, um Luft in den Leib zu pumpen. Ein Bein der Kreatur war auf Höhe des Knies abgeknickt und stand seitlich vom Körper ab. Die Verletzung schien ihr nichts auszumachen, denn sie kümmerte sich nicht darum. Auch der Aufbau ihres Skeletts musste seltsam verändert sein, denn die Verrenkungen, welche die drei vollführten, hatte Felton bisher nur auf dem Schlachtfeld gesehen; und das auch nur bei Toten.
Die drei Wesen standen immer noch zusammen. Zwei waren den Hieben und den Flanken des Pferdes ausgewichen, indem sie ihre Körper wie biegsame Äste im Wind wanden. Nun bogen sie sich zurück und visierten Felton erneut an.
Felton ließ sein Pferd steigen, doch anstatt im vollen Galopp wieder vorwärtszustürmen, knickten die Hinterläufe des Tieres ein, es stürzte rückwärts und begrub seinen Reiter unter sich. Im ersten Moment war Lord Felton benommen, doch er kam schnell wieder zu sich. Die Schmerzen in seinem Bein ließen keine Ohnmacht zu. Der reglose Körper seines Pferdes presste sein Knie auf das Pflaster der
Weitere Kostenlose Bücher