Der Rubin der Oger
Straße, und sein Fuß war qualvoll verdreht. Momentan gab ihm das Tier Deckung, aber so konnte auch er seine Feinde nicht sehen.
Ein junger Mann, der den Kampf beobachtete hatte, verließ eine schützende Seitengasse, in der er sich verborgen hatte, und eilte Felton zu Hilfe. Gemeinsam bekamen sie sein Bein frei und suchten Schutz hinter dem Streitross.
»Wo ist der König, habt Ihr ihn gesehen?«, fragte Felton völlig außer Atem.
Der junge Mann schien andere Sorgen zu haben und zeigte, den Blick über den Pferdebauch hinweg gerichtet, nach hinten Richtung Hafen. Felton drehte sich um und erkannte das ganze Ausmaß des Angriffs. Die Barken lagen noch immer unverändert im Wasser. Die einheimischen Schiffe schienen verlassen und waren außerdem nicht ausreichend bewaffnet, um sich auf ein Seegefecht einzulassen. Aus dem Rumpf der Elfenschiffe ergossen sich zahllose Angreifer. Wie ein Schwarm Heuschrecken fielen sie über die kleine Stadt her. Sie stürmten über die ausgelegten Bootsstege, hangelten sich an Seilen entlang, und viele sprangen einfach ins Wasser und kletterten auf der anderen Seite am Pier wieder hoch. Die meisten waren nur spärlich bewaffnet, doch ihrer Überzahl und ihrer Gewandtheit war nichts gewachsen.
Lord Felton sah die feinen schwarzen Netze, die aus den Katapulten abgefeuert wurden. Sie hatten sich über die Flüchtenden geworfen und hielten ihre Beute wie in einem Spinnennetz gefangen. Zusätzlich mussten sie mit einer Säure oder Ähnlichem getränkt worden sein, denn die Menschen, die darunter lagen, trugen entsetzliche Verbrennungen davon. Sie schrien und strampelten, um sich aus ihrem Gefängnis zu befreien, doch dadurch verstrickten sie sich nur noch mehr.
Die Feinde postierten sich und drangen immer weiter ins Innere der Stadt vor. Felton musste mit ansehen, wie einfache Bürger, bewaffnet mit Gegenständen des alltäglichen Lebens, von einer Übermacht niedergemetzelt wurden. Selbst die wenigen Soldaten, die noch auf den Beinen waren, konnten sich der Angriffe nicht erwehren.
»Wohin wollt Ihr, Mylord?«
Der junge Mann hielt Felton an der Schulter zurück, als dieser versuchten wollte, sich weiter zum Hafen vorzukämpfen.
»Ich muss sehen, was mit dem König geschehen ist. Wir müssen ihn hier herausholen.«
Der junge Mann, seiner Kleidung nach zu urteilen ein Metzger, packte Felton an Stirn und Kinn und drehte seinen Kopf in Richtung des südlichen Stadttores. Lord Felton wollte sich losreißen, doch dann erkannte er, auf was ihn der junge Mann aufmerksam machen wollte.
»Das ist die Leibgarde des Königs«, rief der junge Mann. »Glaubt Ihr, sie würden flüchten, wenn der König noch lebt?«
Felton sah einen Tross Reiter, der versuchte, der Stadt und dem Gemetzel zu entkommen. An seiner Spitze galoppierte Lord Sigurt, tief gebeugt über seinen Pferderücken und waffenlos. Wie ein Hund, den man aus der Stadt jagt, suchte er die Lücken, um sich seinen Feinden nicht stellen zu müssen.
»Wo stand der König genau, als der Angriff begann?«, fragte Felton.
Der junge Mann zeigte in Richtung des ersten Schiffs der Elfenwesen.
»Direkt vor dem Steg.«
Felton riss sich los und hechtete zur nächsten Häuserwand. Die drei Elfen, die ihn angegriffen hatten, waren verschwunden, jedoch war er in Sichtweite von mindestens einem weiteren Dutzend dieser Kreaturen. Mit ihren Blasrohren schossen sie auf alles, was sich bewegte. Felton hatte Glück und konnte sich unbemerkt an einem Vordach hochziehen. Oben angekommen rollte er sich vorsichtig über die spärlichen Dachlatten und suchte den Hafen ab. Eine große schlanke Gestalt fiel ihm auf, die ihm den Rücken zukehrte, seelenruhig vor einem der Schiffe hockte und an etwas zerrte.
»Bei Prios, ein Nesselschrecken«, stöhnte Lord Felton.
Die Gestalt hatte sich erhoben und der Stadt zugewandt. Die langen Tentakel des Teudraeda hatten sich über das Gesicht eines Mannes gelegt und labten sich an ihm. Jetzt erst erkannte Felton das Gewand des Opfers. Es war die königliche Robe.
»Nein, mein König!«, schrie Felton und bemerkte erst im letzten Augenblick die zwei kleinen Giftpfeile, die dicht neben seiner Hand ins Holz drangen. Felton ließ sich wieder in Deckung fallen und verschränkte die Arme vor seinem Kopf.
Der König war tot und das Land ohne Herrscher. Die führenden Offiziere waren niedergemetzelt oder feige geflohen.
Felton wagte erneut einen Blick über die schmale Balustrade. Der Nesselschrecken bewegte sich
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