Der Rubin der Oger
wäre er an Altersschwäche gestorben.
Es war wie verhext. Sobald er seine Jagd aufgegeben hatte, lag das Wasser still vor ihm. Auch der Wind hatte aufgehört, ihn mit seinen peitschenden Böen zu peinigen. Die Welt lag wie im Schlaf, dennoch spürte Mogda Blicke auf sich ruhen. Er sprang auf und schaute zu seinen ruhenden Gefährten hinauf, in der Angst, sie seien im Schlaf hinterrücks überrascht worden, doch sie kauerten wie zuvor dicht aneinander gedrängt auf ihrem Felsen. Nichts deutete auf einen gemeinen Meuchelmörder hin, und außerdem gab es so gut wie keine Zugänge zu ihrem Versteck. Mogda ließ seinen Blick weiter durch die Dunkelheit schweifen und stockte beim Anblick des silbernen Streifens, den das Mondlicht auf das Wasser warf. Die Spiegelung schlängelte sich auf dem Meer wie der Körper eines Reptils und brach sich weiter vorn an den Felsen. Breit auslaufend umklammerte das Licht die Spitzen des Riffs und tauchte sie in silbernen Glanz.
Mogda genoss das Schauspiel, bis er bemerkte, dass es eigentlich gar keines war. Das Mondlicht bot nicht mehr als das, was es immer zu bieten hatte. Und doch war etwas anders in dieser Nacht: Auf den Felsen saßen drei starre Gestalten, die sich im fahlen Schein des Mondes kaum von ihrer Umgebung abhoben.
Mogda konnte seinen Blick nicht abwenden. Er fühlte sich magisch angezogen von den Wesen. Etwas in ihm sagte, er brauche keine Angst zu haben, und obwohl er ungern auf diese Stimme hörte, sondern lieber seinen Augen vertraute, gab er ihr nach.
Langsam und vorsichtig näherte er sich den kauernden Gestalten. Ihre Häupter waren geneigt, und das lange blonde Haar fiel auf ihre Schultern herab, verschmolz mit den eingestickten Silberfäden auf ihren Umhängen. Der lange Stoff verdeckte die Felsen und ragte bis ins Wasser hinein, wo er wie ein Teppich auf der Oberfläche lag und sich geschmeidig den leichten Wellen anpasste.
Als Mogda näher kam, erhob sich einer von ihnen, während sich die anderen beiden noch weiter hinunter beugten.
Es waren Elfen, wie Mogda sie von früher her kannte. Ihre bedächtige und elegante Art war unverkennbar. Von der Statur her waren sie feingliedriger als die Menschen, und ihre Gesichter ähnelten sich so stark, dass Mogda sie nicht hätte unterscheiden können. Aus früheren Begegnungen wusste er, dass dies hier keine Krieger waren; sie trugen die Kleidung von höfischem Gefolge, wobei man ihre Zauberkräfte aber auf keinen Fall außer Acht lassen durfte.
Anscheinend warteten sie darauf, angesprochen zu werden, bevor sie selbst die Stimme erhoben.
»Was habt ihr hier zu suchen?«, fragte Mogda. »Wir haben keinen Zwist miteinander.«
Sein Gegenüber schlug die Augen auf, und Mogda wunderte sich, wie jemand in eine derart kleine Bewegung noch Würde legen konnte.
»Wir sind«, sagte der Elf, »auf der Suche nach dem Einen, der von den Göttern dazu auserkoren wurde, eine Brücke zwischen den Völkern zu errichten.«
Die Stimme des Elfen klang weich, fast weiblich, und passte zum leisen Rauschen des Meeres.
»Dann werdet ihr wohl weitersuchen müssen.«
Der Elf legte den Kopf schräg und lächelte.
»Die Zeichen haben uns an diesen Ort geführt. Wir sind seinen Spuren gefolgt, seitdem er sich erhoben hat, um sich gegen jene zu wenden, die ihm seine Bestimmung verwehren wollen.«
Mogda legte seinen Kopf ebenfalls schräg und versuchte das Lächeln ebenso elegant zu erwidern.
»Na, dann hoffe ich, dass ihr ihn bald findet.«
»Wir haben ihn bereits gefunden. Nun liegt es an ihm, die Prophezeiung zu deuten und dem Schicksal einen anderen Weg zu ebnen.«
Der Elf zog etwas aus dem weiten Ärmel seines Gewandes heraus und streckte es Mogda entgegen. Gierig griff er nach dem bräunlich flachen Gebilde, das entfernt an ein Stück Dörrfleisch erinnerte, und hoffte, seinen Hunger damit stillen zu können, egal was es war. Nachdem er es genauer betrachtet hatte, drehte er es enttäuscht zwischen seinen Finger hin und her.
»Danke«, brummte er. »Ein Gedicht auf einem Stück alter Baumrinde. Das habe ich mir schon immer gewünscht.«
»Es ist die Rinde von Mystraloon, dem ersten Baum. In seinem Stamm ruht einer der Funken der Götter. Von Zeit zu Zeit löst sich ein Stück der Borke, und auf ihrer Innenseite finden wir Elfen seit Jahrhunderten die Prophezeiungen. Wir hatten angenommen, sie seien für uns persönlich gedacht, doch die neuen Ereignisse haben uns gezeigt, dass sie jedes Wesen und alle Völker betreffen. Unser
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