Der Rubin der Oger
Rat hat daraufhin entschieden, sie weiterzugeben.«
»Mystraloon ist aber ein großer roter Stein«, entgegnete Mogda skeptisch. »Das haben uns die Zwerge erzählt.«
»Das Wissen der Zwerge über die Geschicke der Götter ist noch geringer als ihre körperliche Größe«, sagte der Elf mit leiser Verachtung in der Stimme. »Der Stein, von dem du redest, ist der Samen der Götter. Von ihnen gibt es acht. Zwei sind aus dem Rad ausgebrochen. Einen haben wir in Sicherheit gebracht, der andere befindet sich in den Händen von Zweiflern. Niemals dürfen sie einen gemeinsamen Platz einnehmen. Der Stein, den ihr suchen müsst, wurde einst von den Drachen bewacht, doch war es die Aufgabe der Oger, ihn zu schützen. Und ihr wart es auch, die ihn habt gehen lassen.«
Nun interessierte es Mogda doch, was auf dem Stück Holz geschrieben stand. Er hob es hoch, drehte es gegen das Mondlicht und las. Die elfische Runenschrift verschwand, und an ihrer Stelle zeichnete sich die Schrift der Menschen ab.
Zwei Meere sich zu einem verbinden,
die Steppen dahinter im Wasser verschwinden.
Zwei Herrscher hat das Land verloren,
die Völker nur in Angst noch schmoren.
Zwei Götter kämpfen um die Macht,
bis dass der Tag zur Nacht gemacht.
Zwei Seelen in ein Volk gesteckt,
böse Triebe darin sind geweckt.
Zwei Völker, die nur eines sind,
das sich von damals auf das Heut’ besinnt.
Entzweit die Welt, sie liegt in Scherben,
Es ist an euch; die Götter sterben.
Einer nur, der übrig bleibt
und sich an tausend Leichen reibt.
Wo Kraft und Mut dich nicht mehr schützen,
dort sollte dir die Ruhe nützen.
Keiner kann die Macht bezwingen,
wenn tote Götter miteinander ringen.
Als Mogda sich wieder den Elfen zuwenden wollte, waren sie verschwunden. So geräuschlos und unauffällig, wie sie gekommen waren, hatten sie sich auch wieder aufgemacht.
Ohne das kleine Stück Rinde in seiner Hand hätte Mogda geglaubt, alles nur geträumt zu haben, doch es war real. Der silberne Streifen des Mondlichts zeigte nun auf ihn.
24
Gefangen in Sandleg
Lord Felton lag schon einige Zeit wach, doch sein Körper gehorchte ihm noch nicht. Er fühlte, dass man ihm etwas Weiches unter den Nacken geschoben und den Brustharnisch gelockert hatte. Die Luft um ihn herum war stickig und verbraucht. Leise Stimmen drangen an sein Ohr, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagten. Vorsichtig befeuchtete er die Lippen mit der Zunge. Es gelang ihm, die Augenlider etwas zu öffnen, und schemenhaft sah er die Menschen, die mit ihm in das Haus geflüchtet waren. Regungslos hockten sie auf den Stühlen oder saßen an die Wand gelehnt und dämmerten vor sich hin.
»Wasser«, stöhnte er. »Wasser bitte.«
Jemand trat an ihn heran, hob seinen Kopf und führte ein Glas an seine Lippen. Vorsichtig nippte er an dem Becher und musste feststellen, dass es sich um schales, lauwarmes Bier handelte.
»Tut mir leid«, sagte eine Stimme, »das hier ist bloß eine Hafenkneipe. Hier gibt es alles Mögliche zu trinken, nur kein Wasser.«
Felton erkannte die Stimme. Es war der junge Bursche, der Metzger, der ihm gefolgt war.
»Schon gut«, flüsterte Felton. »Helft mir, mich aufzusetzen.«
Der junge Mann half ihm hoch, und Felton spürte, wie seine Lebensgeister langsam zurückkehrten.
»Wie lange war ich weg?«
»Fast zwei Tage«, antwortete der Junge.
»Wir sind seit zwei Tagen in dieser Kaschemme gefangen, und die dort draußen haben noch nicht einmal versucht, hier einzudringen und uns niederzumachen?«
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf, und ihm war anzusehen, dass er froh darüber war.
Felton schlich mühsam zur Tür. Seine Gliedmaßen waren steif und schmerzten, wie bei einem Muskelkater. Er ging in die Hocke und warf einen Blick durch den Spalt in der Tür. Die Schiffe der Fremden lagen immer noch im Hafen. Die Angreifer hatten es noch nicht einmal für nötig befunden, die toten Körper der Bürger wegzuschaffen. Felton stützte sich von einem Knie auf das andere, um durch den schmalen Spalt einen möglichst großen Teil des Hafens überblicken zu können. Einer der schwarzen Elfen hatte auf dem Dach des Hafenmeisters Position bezogen, und ein weiterer hatte sich hinter der Reling des ersten Schiffs verschanzt. Außer diesen beiden sah er keinen weiteren Angreifer.
»Wo sind die alle hin?«, fragte er einen der Soldaten, der neben der Tür saß.
»Wir wissen es nicht, Herr. Vielleicht haben sie sich in den Häusern im Zentrum verschanzt, oder sie sind
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